StartLeben mit Multiple SkleroseTremor und Ataxie bei MS

Tremor und Ataxie bei MS

Ein Beitrag von unserer Redakteurin Heike Kanter

„Mama“ guck mal, ist die Frau da betrunken? Diese Frage hörte ich von einem kleinen Jungen, als ich vor einigen Jahren noch mit Stock unterwegs war. Die Frage war der Mutter sichtlich unangenehm und sie zog ihren Sohn schnell in eine andere Richtung.

Viele haben Vorurteile

Gerne hätte ich dem Jungen geantwortet: „Ich bin nicht betrunken, ich habe eine Krankheit, die mein Gleichgewicht stört.“ Im Laufe meiner „MS-Karriere“ haben sich viele koordinatorische Einschränkungen eingestellt: Fatigue, Spastik, Schwäche, Blasenstörungen und auch Ataxie und Tremor. Während Spastik und Schwäche direkt die Koordination in den Extremitäten beeinträchtigen, beeinflussen Ataxie und Tremor auch dann die Bewegung, wenn die Kraft noch normal ist.

MS ist eine Krankheit, die verschiedene Schäden in Gehirn und Rückenmark verursacht, und man geht davon aus, dass die Ursache für Ataxie und Tremor hauptsächlich durch Demyelisierungen im Kleinhirn und den weiterleitenden Verbindungen (Rückenmark etc.) zu finden ist.

Ataxie

Bei der Ataxie verliert der Erkrankte die Kontrolle über seine Bewegungen. Es fällt ihm schwer, Bewegungen koordiniert zu beginnen oder zu beenden. Die Ataxie beeinträchtigt meist die Koordination eines Körperteils.

Ataktische Gang

Ein Beispiel dafür ist besonders der ataktische Gang. Während zuerst der Fuß noch korrekt nach vorne gesetzt wird, biegt er in der Bewegung plötzlich in eine andere Richtung ab. Man beginnt zu schwanken und versucht, die Richtungsänderung aufzufangen. Der „Gang“ beginnt dem Gang eines Betrunkenen zu ähneln. Ähnlich ist es, wenn man etwas greifen möchte und die Hand mal wieder ruckartig daran vorbeigreift. Auch beim Schreiben, Tippen und Bedienen der Computermaus fällt die Ataxie oft auf.

Zusätzlich können ataktische Symptome auch die Augen, die Sprache (Dysarthrie) und die Körperhaltung beeinflussen.

Tremor

Auch die Ursache des Tremors wird im Kleinhirn und den weiterleitenden Verbindungen vermutet. Das Zittern ähnelt für viele dem Zittern von Parkinson-Patienten. Dabei gibt es jedoch Unterschiede. Man unterscheidet beim Tremor hauptsächlich den Haltetremor und den Intentionstremor.

ein Wasserglas, dessen Inhalt überschwappt.

Haltetremor

Beim Haltetremor beginnt das Zittern häufig nach einer gewissen Zeit beim Halten eines Gegenstandes oder beim Bewegen der Extremitäten gegen die Schwerkraft.

Intentionstremor

Der Intentionstremor beeinträchtig die MS-Patienten am meisten. Sie beginnen zu zittern, wenn sie zielgerichtet nach einem Objekt greifen. Ein guter Test dafür ist es, sich mit dem Zeigefinger an die Nasenspitze zu fassen. Je näher der Zeigefinger der Nasenspitze kommt, umso stärker wird das Zittern.

Die Beurteilung von Ataxie und Tremor wird vom Neurologen anhand verschiedenster Bewegungen vorgenommen, die auch eine Messbarkeit der Beeinträchtigung zulassen. Beide Einschränkungen können sich zusätzlich unter Stress und Anstrengung verstärken.

Was hilft?

Zur Behandlung kommen in erster Linie Physio- und Ergotherapie infrage. Sie können zwar die Beeinträchtigung nicht heilen, aber alternativ Unterstützung durch andere Körperteile und durch Hilfsmittel trainieren. Entspannungstechniken kommen besonders bei stressbedingter Ataxie und Tremor in Betracht.

Auch medikamentös gibt es Ansätze im Bereich des Tremors. Leider haben diese Medikamente oft starke Nebenwirkungen, welche nicht nur andere Einschränkungen wie Fatigue und Spastik beeinflussen können. Bei Behandlung mit Cannabis oder Cannabis-Medikamenten konnte auch keine signifikante Verbesserung der Symptome festgestellt werden.

Sehr selten werden bei starken Beeinträchtigungen durch den Tremor auch operative Eingriffe am Thalamus vorgenommen, die allerdings entsprechende Risiken bergen.

Die Forschungen nach Wirkstoffen gegen Spastiken und Epilepsie lassen hoffen, dass in Zukunft auch Medikamente gegen Ataxie und Tremor gefunden werden.

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