StartGesundheitDie Suche nach Gott oder sich selbst

Die Suche nach Gott oder sich selbst

Wenn der Weg das Ziel ist

Schon der griechische Arzt Hippokrates (ca. 460–370 v. Chr.) erklärte: „Gehen ist des Menschen beste Medizin.“ Aber was veranlasst heute immer mehr Menschen zum Pilgern?

Leistungs- & Zeitdruck sind ermüdend

Unsere Welt dreht sich scheinbar immer schneller, der Leistungsdruck ist groß, die Termine lassen keine Freiräume mehr zu und der Mensch kommt kaum noch dazu, sich richtig zu erholen. Pilgern erfordert viel Mut und Kraft, vielleicht auch erst den Punkt, an dem man nicht mehr weiterkann, das Gefühl hat, jetzt gleich aus allem herauszumüssen, um seinen eigenen Rhythmus zu finden. Ohne Termine, ohne Smartphone in der Hand und mit nur dem Nötigsten auf dem Rücken. Back to the roots. Zu sich selbst kommen.

Eine Person läuft bei untergehender Sonne an einem Bergfuß entlang über eine Wiese.

Einach mal aussteigen

Waren es früher noch religiöse Gründe, die zum Pilgern motivierten, so ist heute auch Trauer der Auslöser oder einfach nur das Verlangen auszusteigen. Mancher sucht vielleicht neue Begegnungen, der andere will Natur, Landschaft und Abenteuer erleben.

Aber auch lange Wanderungen können schon die Tür zum Selbst öffnen und die ersehnte Ruhe und Einkehr bewirken. Warum das so ist, haben wir Dr. Boris Bornemann gefragt. Er ist Diplom-Psychologe, Neurowissenschaftler und Achtsamkeitslehrer. In seiner Doktorarbeit am Leipziger Max-Planck-Institut untersuchte er die Effekte von Meditation auf Körper und Geist. Er vermittelt Achtsamkeit und Meditation in Workshops, Kursen und in der App Balloon.

Vier Fragen an Dr. Boris Bornemann

Portraitfoto von Dr. Boris BornemannWieso fällt es den meisten Menschen leichter, während eines Spazierganges oder einer Wanderung ihre Gedanken zu sortieren und zur Ruhe zu kommen als zu Hause auf der Couch?

Wenn wir uns bewegen, aktiviert das den Körper. Wir sind gut durchblutet und haben viel Sauerstoff – Bedingungen, unter denen das Gehirn gut arbeitet. Bewegung kann auch helfen, Stress abzubauen. Und ein stressfreier Geist ist kreativer. Die Natur bietet uns außerdem viele Anregungen, ohne sich aufzudrängen. Der Geist kann umherschweifen. In dieser Weite und Entspannung hat unser Unterbewusstes viel Raum, neue Verknüpfungen zu bilden. Die kommen uns dann als Ideen oder Problemlösungen in den Sinn. In einer Reihe von Studien an der Universität Stanford steigerte sich die Leistung der Probandinnen und Probanden in Kreativitätstests um bis zu 80%, wenn sie dabei spazieren gingen.

Was kann man im Alltag tun, wenn kein Wald oder Wanderweg in der Nähe ist, um zur Ruhe zu kommen? Gibt es eine Alternative bezüglich der Umgebung mit ähnlicher Wirkung?

Eine Studie der Universität Michigan zeigt, dass sich unsere Aufmerksamkeit in Naturumgebungen erholt. Ein Spaziergang in der Stadt hat nicht denselben Effekt. Die Reize dort spannen uns eher an. Wir müssen z.B. aufpassen, nicht von einem Auto angefahren zu werden. Aber es muss nicht immer die Bergwanderung sein. Auch ein schöner Park oder ein Spaziergang über offene Felder kann den Geist erfrischen und den Körper entspannen.

Wie schafft man es, sich die erlangte Ruhe zu erhalten?

Es ist gut, wenn unser Alltag ein bisschen von der Weite der Naturumgebungen in sich trägt. Das heißt vor allem: Wir brauchen Pausen, in denen wir alles loslassen können. Vielleicht für ein paar Momente aus dem Fenster schauen. Uns etwas bewegen. Oder die Augen schließen, den Körper spüren. Auch sollten wir immer wieder Zeit unverplant lassen, Zeit für Muße. Durch Meditation können wir lernen, eine große Weite und Gelassenheit in uns selbst zu finden.

Ein Feld mit Feldblumen.

Die Welt scheint sich schneller als früher zu drehen, alles ist irgendwie dringender und wichtiger geworden. Was hat es für Konsequenzen, wenn wir die Verbindung zu uns selbst in dieser stressigen und hektischen Zeit verlieren?

Die Folgen können dramatisch sein. Möglicherweise stellen wir nach vielen Jahren rückblickend fest: Das war gar nicht mein Leben, was ich da gelebt habe. Ich habe immer nur gemacht, was andere von mir wollten. Es ist daher wichtiger denn je, sich Zeit nur für sich selbst zu nehmen. Nach innen zu schauen. Sich zu spüren. Die eigenen Werte zu klären und unseren Wünschen Raum zu geben. So finden wir zu einem selbstbestimmteren und erfüllteren Leben.

Vielen Dank für das Interview!

Meditation mit Balloon

Balloon ist eine deutschsprachige App, in der Meditation alltagstauglich und wissenschaftlich fundiert vermittelt wird. Der Einstiegskurs und einige Grundübungen sind kostenlos. Für den Zugriff auf die umfangreiche Bibliothek mit Kursen zu Stress, Schlaf, Selbstvertrauen und vielen anderen Themen wird ein Abo benötigt. www.balloonapp.de

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