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Mehr Mobilität & Freiheit durch E-Power

E-Power-Experte Nils Thöne von MEYRA im Interview

Die E-Mobilität hat nicht nur den Automarkt verändert, sondern seit Längerem auch das Leben von vielen Rollstuhlnutzenden. Durch den Antrieb und die Steuerung auf Elektrobasis können die Lebensqualität und Selbstbestimmtheit bei Menschen mit großen Mobilitätseinschränkungen deutlich gesteigert werden.

Ein Blick in die Vergangenheit und Zukunft mit Nils Thöne – langjähriger Produktspezialist E-Power bei MEYRA mit dem Fachgebiet Sondersteuerungen und Umfeldkommunikation.

Barrierefrei: Lieber Nils, was bringt die E-Mobilität (im Rollstuhlsektor) Menschen mit Mobilitätseinschränkungen grundsätzlich für Vorteile?

Ein Portraitfoto eines Mannes. Er lächelt, trägt eine Brille und ein schwarzes Hemd.Nils Thöne: Viele Menschen haben zum Teil seit Jahren nicht ihre Wohnung verlassen bzw. verlassen können. Aufgrund ihres Handicaps sind viele nicht in der Lage, einen manuellen Rollstuhl eigenständig zu bewegen, oder können dies lediglich für einige Meter innerhalb ihrer Wohnung tun. Durch die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl können diese wieder selbstständig nach draußen fahren oder sich auch innerhalb der Wohnung besser fortbewegen. Sie haben die Möglichkeit, wieder eigenständig einkaufen zu gehen, Arztbesuche selbstständig zu tätigen oder ihre Freizeit wieder neu zu gestalten, zum Beispiel können sie in Kinos oder Theater gehen sowie Messen und Veranstaltungen besuchen. Es geht einfach darum, die Menschen wieder am Leben teilhaben zu lassen, was für viele auch bedeutet, dass sich ihr Gesundheitszustand je nach Handicap verbessern kann. Auch auf die Psyche des Menschen wirkt sich das durchaus positiv aus. Dadurch, dass alle Modelle von uns einen sogenannten Crashtest haben, können die Menschen auch mit Fahrzeugen im Rollstuhl sitzend transportiert werden. Das heißt, sie können auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren und beispielsweise mal wieder in den Urlaub fahren. Sogar die Mitnahme in Flugzeugen ist mit unseren Elektrorollstühlen möglich, da auch dafür eine Zulassung vorhanden ist. Kurzum: Wir machen die Menschen wieder mobil.

BF: Inwieweit hat sich die E-Mobilität im Hinblick auf Rollstühle in den letzten Jahren verändert?

NT: Durch die fortschreitende Technik profitieren natürlich auch Elektrorollstühle von neuen und weiteren Möglichkeiten. Zum Beispiel spielt es heutzutage keine Rolle mehr, wie groß das Handicap der Menschen ist. Grundsätzlich sollten die geistigen Fähigkeiten vorhanden sein, alles andere ist nicht mehr relevant. Es gibt für jedes Handicap eine Möglichkeit der Sondersteuerung, das heißt, der:die Kunde:in kann den Rollstuhl mit dem Kopf, den Augen usw. selbstverständlich fortbewegen und auch alle anderen Funktionen wie Sitzverstellungen usw. selbstständig betätigen.
Es gibt die Möglichkeiten der Umfeldkommunikation, das bedeutet, der:die Kunde:in kann vom Elektrorollstuhl aus seine:ihre technischen Geräte, zum Beispiel Smartphone, PC, Fernseher und Radio, ansteuern. Zudem gibt es die Option, an unseren Elektrorollstühlen einen sogenannten Roboterarm zu integrieren. Das heißt, der:die Nutzende hat einen künstlichen Arm am Rollstuhl, den er:sie mit der Sondersteuerung, beispielsweise mittels Kopfsteuerung, bedienen kann, sodass er:sie wieder selbstständig etwas trinken kann, sich mal kratzen kann usw.

Gerade für diese individuellen Sonderanpassungen hat MEYRA spezielle und vor allem langjährige Kooperationspartner, die unglaublich viele Sonderlösungen ermöglichen.

Hinzu kommt, dass sich auch die Reichweite der Batterien der Elektrorollstühle enorm gesteigert hat. Heutzutage sind bedeutend längere Distanzen mit einer Batterieladung zu bewältigen als noch vor ein paar Jahren. Die Rollstuhlfahrenden können somit länger unterwegs sein, ohne Angst zu haben, dass sie zwischendurch aufladen müssten oder liegen bleiben.  Bestes Beispiel ist gerade unser Outdoor-Champignon OPTIMUS 2, der in der 6 km/h-Variante mit einer Batterieladung bis zu 111 km weit fahren kann.

Ein grauer, moderner Elektrorollstuhl, bei dem eine Fußstütze hochgeklappt ist.

BF: Wie hat sich auch eure Produktpalette angepasst?

NT: Wir haben mittlerweile über 20 verschiedene Elektrorollstühle im Programm der Marken MEYRA, Netti und TA. Von Kinder-Elektrorollstühlen, zum Beispiel dem TA iQ FWD Junior mit schmalen Sitzbreiten ab 25 cm, über XXL-Elektrorollstühle, beispielsweise den MEYRA iCHAIR XXL (1.614)

Ein Elektrorollstuhl in Überbreite und Größe, Produktname ist iChair XXL von Meyra.

mit einem Nutzergewicht von bis zu 250 kg oder den Steh-Elektrorollstuhl MEYRA iCHAIR SKY und den für schmale Innenräume geeigneten TA Indoor Wave, bis hin zu elektrischen, faltbaren Reiserollstühlen, wie den beiden Produkten iTRAVEL und iTRAVEL CARBON, sind viele individuelle Anforderungen erfüllbar.

 

Ein in schwarz gehaltener Reise-E-Rollstuhl von dem Hersteller Meyra.Das bedeutet, wir können den Nutzenden alles bieten, was sie für ihre Mobilität brauchen. Wir orientieren uns weltweit auf dem Markt der Elektromobilität. Jedes Land hat zum Teil seine spezifischen Anforderungen, was ein Elektrorollstuhl leisten muss, und diesen passen wir uns permanent an.

BF: Woher stammen die Ideen für die Neuentwicklungen auf diesem Gebiet?

NT: Oftmals erhalten wir Feedback, Ideen und Anregungen von Kunden:innen oder Fachpersonal aus den Sanitätshäusern, die wir gerne und dankend annehmen. Das prüfen wir und geben dies an unsere interne Forschungs- und Entwicklungsabteilung weiter. Unsere Entwicklungsingenieure:innen sind stetig an Optimierungen oder neuen Entwicklungen auch aus anderen Branchen interessiert oder testen Kunden-Feedback aus und entwickeln es weiter.

Auch unser Außendienst und unsere erfahrenen Spezialisten:innen – gerade im Bereich Power, mit zum Teil mehr als 25 Jahren Berufserfahrung in diesem Segment – setzen sich durch die ständige Kommunikation mit den Kunden:innen viel mit dem Thema der Weiterentwicklung auseinander. Wir erproben Prototypen mit realen Kunden:innen, um das erforderliche Feedback zu bekommen. Dementsprechend können wir die positiven und auch negativen Meinungen umsetzen und ändern.

BF: Welchen Bedarf gibt es zurzeit noch, der noch nicht ausreichend berücksichtigt wird?

NT: Aktuell können wir mit unseren Modellen eigentlich alle Funktionen, beispielsweise die Steh-und Liegefunktion in einem Elektrorollstuhl oder eine biomechanische Sitz- und Rückenkantelung, und die verschiedenen Antriebstechniken bieten. Das größere Problem sehe ich eher darin, dass Städte und Gemeinden bei Neubauten von Häusern, Wohnungen und Straßen immer noch wenig an die Bedürfnisse von Rollstuhlfahrenden denken. Es werden neue Wege mit Pflastersteinen gebaut, die abgesenkten Bordsteine sind zum Teil immer noch zu hoch. Geschäfte sind teilweise für Rollstuhlfahrende nicht erreichbar. Gleiches gilt für öffentliche Gebäude.

BF: Wie wird deiner Meinung nach die Zukunft der E-Mobilität aussehen?

NT: Bedingt dadurch, dass die Menschen immer älter werden, wird sich der Markt in Zukunft noch vergrößern und wir natürlich stetig an weiteren Sondersteuerungen oder individuellen Anpassungen der Elektrorollstühle arbeiten. Sicherlich besteht auch die Möglichkeit, dass viele Erkrankungen durch die Medizintechnik besser geheilt werden können. Vielleicht können Menschen, die einen Querschnitt erlitten haben, zukünftig wieder selbstständig laufen (ist zum Teil heute schon möglich). Aber auch die Elektrorollstühle werden sich weiterentwickeln. Die Reichweite der Rollstühle wird sich durch neue Batterietechnologie noch mal mehr erweitern, und vielleicht werden diese auch irgendwann fliegen können. Die Technik schreitet so schnell voran, dass alles möglich werden könnte. Wir sind darauf vorbereitet und immer an neuen Entwicklungen interessiert! In der nächsten Zeit wird sich einiges bei MEYRA intern tun – insbesondere in der Forschung und Entwicklung.

BF: Danke für deine Zeit!

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