Amelotatismus (kurz: Amelos) kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie die Zuneigung (tatis) für Menschen ohne (a) Gliedmaßen (melos). Oder in einem Wort: Amputationsfetischismus. Das löst bei Personen, die damit ungewollt konfrontiert werden, oft erst mal Gänsehaut aus. Denn vielen Amputierten sind diese anzüglichen Direktnachrichten auf Instagram – in denen sich nach Bildern des Stumpfes erkundigt wird – nicht unbekannt.
Wer sind diese „Amelos“?
Im Regelfall handelt es sich hierbei nicht um eine Krankheit und nach internationalem Verständnis auch nicht um einen richtigen Fetisch, da das Objekt der Begierde eben kein unbelebter Gegenstand ist. Die Erklärungsversuche sind dabei genauso unspezifisch und vielfältig wie die verschiedenen Ausprägungsformen – bis hin zu dem Wunsch nach Selbstverstümmelung. Darunter leiden mitunter auch diejenigen, die diese Präferenz bei sich selbst entdecken. Das kann sehr überfordernd sein und soll hier nicht zusätzlich stigmatisiert werden. Natürlich lassen sich sogenannte Amelos nicht verallgemeinern und deren sexuelle Präferenz vielleicht sogar individuell nachvollziehen.
Doch nun passiert es immer häufiger – nicht zuletzt durch die zunehmende Vernetzung in den sozialen Medien –, dass Amputierte ohne ihr Einverständnis sexualisiert und fetischisiert werden. Hier lässt sich übrigens eine deutliche Richtung erkennen: Denn während Amelos häufiger männlich sind, sind die sexualisierten Amputierten meistens weiblich. Das ist problematisch, denn es hinterlässt bei den Betroffenen einen teilweise irreparablen Schaden. Deshalb soll es hier darum gehen, wie man sich und auch amputierte Kinder davor schützen kann.
Nicht nur im Internet
Im Internet begegnet man Seiten, deren anonyme Urheber:innen Bildmaterial von Amputierten ungefragt verwenden. Doch aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man als Prothesenanwenderin auch auf Orthopädie-Messen regelmäßig gefragt wird, ob man den Stumpf zeigen oder sogar fotografieren lassen würde. Ob es sich dabei um ein fachliches Gespräch handelt oder doch um einen Fetisch: Das bleibt meist ungewiss.
Wird dadurch ein offener Umgang mit Behinderung verhindert?
Die Hauptproblematik erkenne ich persönlich darin, dass ein grundlegendes Ziel von Teilhabe und Inklusion darin bestehen sollte, offener mit der eigenen Behinderung umgehen zu können. Dies wird durch die Gefahr der Fetischisierung leider massiv eingeschränkt. Eine weitere Ebene erreicht diese Problematik, sobald auch Kinder davon nicht ausgeschlossen sind. So mussten wir bei einem Jugendcamp für amputierte Kinder regelmäßig die Zäune ablaufen und verdächtige Personen sogar teilweise dem Grundstück verweisen. Es ist sehr nachvollziehbar, wenn diese Info erst mal Angst auslöst. Vor allem, wenn wir Kinder eigentlich fördern wollen, sich nicht zu verstecken und sich nach ihren Vorstellungen zu entfalten. Zudem ist es unglaublich schwierig, den Zeitpunkt festzulegen, wie und ab welchem Alter Kinder über diese Tatsache aufgeklärt werden sollten.
Ein möglicher Umgang mit dem Thema
Um sich selbst zu schützen, sollten daher Menschen mit fehlenden Gliedmaßen genau darauf achten, was sie posten und wie viel sie von ihrer Behinderung preisgeben wollen. Nun ist es natürlich schade, dass sich die Betroffenen verstecken müssen, um nicht fetischisiert zu werden. Das sollte so nicht sein. Also lohnt es sich gerade bei entsprechenden Fotos, das Profil privat zu halten und unbekannte Freundschaftsanfragen dringend zu kontrollieren. Häufig ist bei Fetisch-Profilen eine sexuelle Neigung anhand der Beiträge oder der Freundesliste erkennbar. Diese Konten sollten sofort blockiert und gemeldet werden – das hilft dann auch anderen Betroffenen.
Für mich persönlich ist auch das Tragen einer Prothese eine Art Schutzschicht. Zwar kann auch hierbei eine Fetischisierung stattfinden und auch ich bekomme daraufhin anzügliche Nachrichten, doch diese fühlen sich weniger entblößend an, wenn sie nicht direkt auf meinen Körper anspielen, sondern erst mal an meinem elektrischen Gadget anhalten. Aber natürlich kann und will das nicht jede amputierte Person so umsetzen, und ich verstehe auch den Aspekt, die Behinderung nicht verstecken zu wollen. Daher wäre es auch eine Möglichkeit, sich dem Thema mutig entgegenzustellen und einen offenen Umgang mit der Behinderung zu wagen.