Der Landesverband Selbsthilfe Körperbehinderter Menschen Baden-Württemberg e. V. (LSK) ist ein visionärer Selbsthilfeverband, der sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Vorreiter in der Inklusionsbewegung entwickelt hat. Er tritt für ein selbstbestimmtes Leben und eine inklusive Gesellschaft ein und ist in Baden-Württemberg mit 31 Stützpunkten vertreten, die von erfahrenen und geschulten Botschaftern:innen Barrierefreiheit vor Ort betreut werden.
Wir möchten Ihnen die Botschafter:innen in einer Interviewreihe im Einzelnen vorstellen. Weitere Botschafter finden Sie hier: https://barrierefrei-magazin.de/artikel/botschafter-lsk-aleksandar-und-dietmar/
Botschafterin 9:
Name: Silvana Gentile
Behinderungsart: Polio (Kinderlähmung seit zweitem Lebensjahr)
Botschafter 10:
Name: Alexander Subat
Alter: 51 Jahre
Behinderungsart: Amputationen/Rollstuhlfahrer
Was ist Ihr Tätigkeitsgebiet/-feld beim LSK?
Silvana: Als ehrenamtliche Botschafterin Barrierefreiheit des LSK betreue ich den Stützpunkt Stadtkreis Stuttgart und setze mich für den Abbau von baulichen Barrieren ein. Ich bin Ansprechpartnerin vor Ort und sensibilisiere die Öffentlichkeit. Außerdem suche ich Kontakt zu Entscheidungsträgern:innen und der Politik, um auf dieses wichtige Thema, das uns alle angeht, aufmerksam zu machen.
Alexander: Als Botschafter Barrierefreiheit setze ich mich für die Inklusion und Barrierefreiheit auf allen Ebenen ein und sensibilisiere die Öffentlichkeit für dieses wichtige Thema. Menschen mit Behinderung sollen überall teilhaben können. Das betrifft alle Lebensbereiche: Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Reisen, Autofahren, die Nutzung des ÖPNV etc.
Welche Projekte begleiten Sie oder haben Sie begleitet?
Silvana: In meinen vielen Online-Beiträgen auf YouTube/KuKuk-TV mache ich bei Orts- und Städtebegehungen auf Barrieren aufmerksam. In Kooperation mit der Behindertenbeauftragten der Stadt Stuttgart habe ich den Weihnachtsmarkt auf Barrieren geprüft. Hierbei konnte durch meine Expertise die eine oder andere Barriere abgebaut werden. Hotelchecks sollen folgen.
Alexander: Ich engagiere mich im Bereich Behindertensport. Tennis, Biken, Schwimmen und Kampfsport sind meine Favoriten. Seit vielen Jahren engagierte ich mich beim TC Lahr in der Abteilung Rollstuhltennis. Außerdem bin ich politisch aktiv. Im Jahr 2020 habe ich bei den Kommunalwahlen nur knapp den Einzug in den Ettenheimer Gemeinderat verpasst.
Es ist mir ein großes Bedürfnis, mich für Menschen mit Behinderung politisch einzusetzen, auch und gerade hier bei mir zu Hause.
Wie genau gehen Sie bei Ihrer Arbeit vor?
Silvana: Bei meiner Arbeit ist es wichtig, dass ich mit den zuständigen Personen und Behörden vor der Umsetzung der Baumaßnahme in Kontakt komme, um meine Expertise bereits im Vorfeld abgeben zu können. Dies spart Kosten und Nachbesserungen.
Alexander: Bei meiner Arbeit gehe ich sehr pragmatisch vor. Ich schaue mir die Situation vor Ort an und zeige meinem Gegenüber praktisch auf, wo sich Barrieren befinden. Danach biete ich als Experte in eigener Sache Lösungsmöglichkeiten an und gebe meine Expertise ab. Im besten Fall bereits vor der Baumaßnahme.
Wie wird Ihre Arbeit angenommen?
Silvana: Meine Tätigkeit wird sehr positiv angenommen, da ich als Expertin in eigener Sache meine Erfahrungen und Bedürfnisse aus der Sicht als Rollstuhlfahrerin berichten kann.
Alexander: Dies ist sehr unterschiedlich. Vielfach wird meine Arbeit sehr gut aufgenommen. Oftmals erlebe ich aber auch, dass ich in eine Bittsteller-Position gedrängt werde, obwohl die UN-Behindertenrechtskonvention die Bundesrepublik Deutschland in Artikel 29 dazu verpflichtet, Barrierefreiheit im politischen und öffentlichen Leben sicherzustellen. Menschen mit Behinderungen soll es ermöglicht werden, sich gleichberechtigt und umfassend an der Gestaltung öffentlicher Angelegenheiten zu beteiligen. Hierfür möchte ich mich persönlich stark machen, auch wenn es immer wieder Rückschläge gibt. Chancengleichheit, Gleichberechtigung und gesellschaftliche Teilhabe müssen für Menschen mit Behinderung selbstverständlich sein.
Was bedeutet Ihnen die Arbeit als Botschafter:in Barrierefreiheit?
Silvana: Es ist mir ein Herzensanliegen, mit meiner Arbeit als Botschafterin Barrierefreiheit einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft zu leisten und eine inklusive Umwelt mitgestalten zu dürfen. Die Beseitigung von Barrieren oder deren Prävention ermöglicht es Menschen mit und ohne Behinderung, aktiv an der Gesellschaft teilzuhaben.
Alexander: Die Arbeit als Botschafter Barrierefreiheit bedeutet für mich, ein Stück weit für
Freiheit und Selbstbestimmung für alle zu kämpfen.
Ich will kein Mitleid, sondern ernst genommen werden. Oft bekomme ich ein freundliches Lächeln, wenn ich von meinen Plänen erzähle, aber manchmal bleibt das Gefühl zurück, dass die wenigsten wirklich an mich glauben. Das soll sich bei meinem Engagement als Botschafter und mit einem starken Netzwerk ändern.
Mehr zu den Botschaftern:innen und dem LSK finden Sie auf
https://www.lsk-bw.de/ oder
http://barrierefreiheit.lsk-bw.de/