StartMobilitätFührerschein mithilfe modernster Kameratechnik

Führerschein mithilfe modernster Kameratechnik

Dass Katja einmal in einem Fahrschulauto sitzen wird und eine Fahrschulausbildung absolvieren kann, hätte sie sich vor einigen Jahren nicht träumen lassen. Dank innovativer Kameratechnik und Umfelderkennung ist das jetzt möglich.

Eingeschränktes Sichtfeld nach Reitunfall

„Ohne meine Eltern würde ich nicht hier sitzen“, sagt Katja, die seit gut zwei Wochen die praktische Fahrausbildung bei der PARAVAN-Fahrschule im Mobilitätspark Aichelau absolviert. Seit einem Reitunfall vor gut zehn Jahren, bei dem die 25-Jährige eine Gehirnblutung erlitt, hat sie ein eingeschränktes Sichtfeld auf der linken Seite. Zwar sieht sie eigentlich mit beiden Augen gut, aber eben ohne den Augenwinkel nach links. „Am Anfang habe ich wirklich nicht geglaubt, dass das etwas wird“, sagt sie. Doch ein innovatives Kamerasystem – fest verbaut in ihrem zukünftigen Fahrzeug –, das mit einer integrierten Umfelderkennung ausgestattet ist, wird in Zukunft dieses Defizit ausgleichen. „Die Technik gleicht aus, was ich links nicht sehe.“

Ein Kamerasystem mit einem Monitor auf der Mittelkonsole im Auto angebracht. Auf dem Bildschirm ist eine markierte Umrandung eine sogenannte Umfelderkennung.

Gutachten ebneten den Weg

Der Weg zur PARAVAN-Fahrschule und erste Tests gaben ihr Hoffnung, dass es Möglichkeiten gibt, die Fahrprüfung mit einem auf sie individuell angepassten Fahrzeug zu bestehen. Ein verkehrsmedizinisches Gutachten bestätigte ihre Fahrtauglichkeit. Die folgende technische Begutachtung vom TÜV-Sachverständigen untermauerte das Ergebnis des Mediziners. „Fahren mit eingeschränkter Sehleistung ist nicht so einfach möglich“, sagt der Leiter der PARAVAN Fahrschule Ralf Buhmann. „Neben dem verkehrsmedizinischen Gutachten ist häufig auch ein Gutachten eines:einer Augenarztes:in nötig. Bei Sichtfeldeinschränkungen gibt es dank innovativer Kamerasysteme mittlerweile gute Lösungen, um den Betroffenen wieder zu einer eigenständigen Mobilität zu verhelfen.“

Kamera zeigt Geschehnisse und Entfernung an

Ein Kamerasystem mit einem Monitor auf der Mittelkonsole zeigt ihr genau an, was auf der linken Seite ihres Fahrzeuges passiert. Gegenstände in Bewegung sind in unterschiedlichen Farben – je nach Entfernung – markiert. So kann Katja genau einschätzen, in welcher Entfernung die Menschen oder Gegenstände vom Fahrzeug auftauchen.

Ein Kamerasystem mit einem Monitor auf der Mittelkonsole im Auto angebracht. Auf dem Bildschirm ist eine markierte Umrandung eine sogenannte Umfelderkennung.

„Wir freunden uns an“

„Anfangs war ich etwas überfordert mit der ganzen Technik“, berichtet Katja über die Nutzung des Kamerasystems während ihrer ersten Fahrversuche über die Feldwege rund um den PARAVAN-Mobilitätspark. „Ich habe überhaupt das erste Mal in einem Auto gesessen“, sagt sie. „Bis dahin war das ja keine Option. Aber wir freunden uns an.“ Anfangs hat sie versucht, das Defizit mit Körperbewegungen auszugleichen, ähnlich wie sie es beim Fahrradfahren macht. Denn aktuell ist sie mit einem E-Bike unterwegs, um eigenständig auf die Arbeit oder zu Freunden zu fahren.

Mittlerweile kommt Routine in die Abläufe. Erste Fahrten hat sie mittlerweile erfolgreich gemeistert. „In der Stadt muss ich mich super konzentrieren“, berichtet die Fahrschülerin. „Ampeln, Schilder, Fußgänger, aber das geht bestimmt jedem Fahranfänger so.“ Auch der TÜV hat mittlerweile im Rahmen der technischen Begutachtung grünes Licht für die weitere Ausbildung gegeben. „Sie beherrscht das Fahrzeug gut“, sagt Fahrlehrer Hilsenbeck. „Jetzt geht es darum, Routinen aufzubauen, damit die Abläufe mit der Kamera in Fleisch und Blut übergehen.“

Eine junge Frau hinter einem Steuer im Auto sitzend. Vor ihr auf der Mittelkonsole ein Kamerasystem mit Monitor angebracht. Darunter ein Navigationsgerät.

Nächster Meilenstein: Führerscheinprüfung

Jetzt geht es an die Sonderfahrten. Erste Überlandtouren und die Autobahnfahrt hat sie bereits absolviert. Da heißt es: Üben, üben, üben, damit die Routine wächst. In gut zwei Wochen kommt Anfang März der große Moment der praktischen Fahrprüfung.

Nach der bestandenen Fahrprüfung soll es dann schnell darum gehen, das optimale Fahrzeug zu finden. Eigentlich hätte sie gerne einen Fiat 500 gehabt, doch es soll etwas Sicheres sein, so der Wunsch der Eltern – „und chic soll es auch sein“, ergänzt die Projektmanagerin, die in einer Werbeagentur tätig ist. Im Anschluss muss das Fahrzeug noch mit dem für sie vorgeschriebenen Kamerasystem ausgerüstet und besonders große Panoramaspiegel angebracht werden, ähnlich wie am Fahrschulauto. „Ich kann es noch gar nicht realisieren, wie toll das sein wird“, freut sie sich.

Fünf Meilensteine zum Führerschein

Meilenstein 1
Am Anfang steht die verkehrsmedizinische Begutachtung. Dabei prüft ein:e spezialisierte:r Arzt:in die kognitiven Fähigkeiten.

Meilenstein 2
Spricht nichts dagegen, kann eine spezialisierte Fahrschule mit modifizierten Fahrschulfahrzeugen gesucht werden. Dabei wird geprüft, welche Hilfsmittel benötigt werden.

Meilenstein 3
Am Ende steht ein technisches Gutachten – Grundlage für den behindertengerechten Fahrzeugumbau beim Umrüster.

Meilenstein 4
Im Anschluss folgt die Fahrschulausbildung, die mit der Fahreignungsprüfung bzw. der praktischen Fahrprüfung für Führerscheinneulinge abgeschlossen wird. Hier muss die zu prüfende Person beweisen, dass sie das Fahrzeug mit den entsprechenden Umbaumaßnahmen absolut sicher im Straßenverkehr beherrscht.

Meilenstein 5 & Ziel
Anschließend wird der Führerschein ausgehändigt. Nun geht es an die Auswahl eines geeigneten Grundfahrzeuges. Je nach Fall können für den Fahrzeugumbau Anträge auf Kostenübernahme gestellt werden.

Weitere Informationen zu den Themen Fahrzeugumbauten und Führerschein unter paravan.de

Neben Katja gibt es auch viele andere Menschen, die mit Behinderung ihren Führerschein erworben haben. Ein Beispiel ist Eleni, die mit 46 Jahren noch den Schein machte. Mehr dazu lesen Sie hier.

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BELIEBTE BEITRÄGE