StartGesundheitVerlust der Kontrolle – Was hilft bei Inkontinenz?

Verlust der Kontrolle – Was hilft bei Inkontinenz?

Inkontinenz bei Querschnittlähmung

Dass unser Gehirn viele Funktionen im Körper in Gang bringt und beeinflusst, ist allgemein bekannt. Jedoch scheint der Kopf relativ „weit entfernt“ von unserem Körper zu sein. Wie funktioniert dann also die Zusammenarbeit mit unseren Muskeln in den Armen, Beinen und inneren Organen?

Stellen Sie sich im Inneren der Wirbelsäule einen Kabelkanal vor, von dem aus alle Leitungen vom Kopf zum Körper und umgekehrt laufen. Dieser Kabelkanal enthält die wichtigen Nervenbahnen und wird durch das Rückenmark geschützt.

Wird das Rückenmark bzw. werden Nervenbahnen verletzt, kommt es zu Störungen im Informationsfluss. Die Folge sind Funktionsstörungen zwischen Gehirn und Körper, die sich in den Arealen zeigen, für die die jeweiligen Nervenbahnen zuständig sind. Wenn dabei alle Nervenbahnen verletzt oder durchtrennt sind, spricht man von einer kompletten Querschnittlähmung. Ist ein Teil der Nervenbahnen weiter durchgängig, können entsprechende Funktionen erhalten sein und man spricht von einer inkompletten Querschnittlähmung.

Ursachen

Man unterscheidet zunächst drei mögliche Ursachen für Querschnittlähmung:

  • angeborene Querschnittlähmungen, z. B. durch eine Fehlbildung der Wirbelsäule oder der Rückenmarkshäute (Spina Bifida), bei der sich der Wirbelkanal im Lenden- oder Kreuzbeinbereich nicht richtig verschließt und dadurch die Nervenbahnen geschädigt werden
  • erworbene Querschnittlähmungen, bei denen die Lähmungen durch Unfälle oder operative Maßnahmen hervorgerufen werden
  • erworbene Querschnittlähmungen, die nicht traumatisch entstehen, z. B. durch Schlaganfall, Bandscheibenvorfall und/oder Entzündungen des Rückenmarks

In Deutschland leben ca. 140.000 Menschen mit einer Querschnittlähmung. Pro Jahr kommen etwa 2.400 Betroffene dazu. Die meisten davon leiden gleichzeitig unter Blasenfunktions- und Schließmuskellähmungen, die sich durch fehlendes Gefühl für die Blasenfüllung, fehlende oder unvollständige Blasenentleerung mit einer Harninkontinenz unangenehm und schädigend bemerkbar machen.

Um Komplikationen und Spätschäden zu vermeiden und die Lebensqualität zu stärken, ist es wichtig, die Inkontinenz in den Griff zu bekommen. In der Zeit des „spinalen Schocks“, das ist die Akutphase, bis der Blasenlähmungstyp erkannt und damit ein Therapiekonzept erstellt werden kann, kann die Harnblase Urin speichern, aber nicht entleeren. Wichtig ist dabei, dem mit sofortigen urologischen Maßnahmen entgegenzuwirken und eine Überlaufinkontinenz mit Überdehnung und Infektionen der Harnwege sowie eine Steinbildung zu vermeiden. Ansonsten droht eine Nierenfunktionsstörung!

Therapie einer Inkontinenz bei Querschnittlähmung

Abbildung des Verlaufs der Nervenbahnen im menschlichen OberkörperBevor eine Therapie eingeleitet werden kann, muss die Blasenlähmung je nach Störung klassifiziert werden. Außerdem müssen Risikofaktoren erfasst und ein individuelles Speicher- und Entleerungskonzept erstellt werden. Hierzu dient die neuro-urologische Untersuchung mit video-urodynamischer Messung, meist durchgeführt am Ende der Akutphase. Um die Therapie sicherzustellen, werden die Betroffenen, ggf. auch ihre Familien, nach ihren Möglichkeiten und Interessen befragt und anschließend ein darauf abgestimmter Plan erstellt.

Da die Blasenfunktionsstörungen und der obere und untere Harntrakt sich immer wieder ändern, müssen die Patienten lebenslang von einem speziellen Facharzt für Neuro-Urologie betreut werden, um Risiken zu vermeiden bzw. gering zu halten sowie die Aktivitäten des täglichen Lebens so positiv wie möglich zu gestalten und die Lebenserwartung zu steigern.

Während in der Akutphase der Inkontinenz bei Querschnittlähmung für den Patienten passive Therapiekonzepte erstellt werden, ist es für die nachfolgende Zeit wichtig, die Betroffenen zur eigenen Aktivität anzuregen, um sie in ihrer Selbstständigkeit zu stärken und zu bestätigen. Die Maßnahmen unterscheiden sich je nach Ausmaß und Höhe der Lähmungserscheinungen. Sind noch Restfunktionen der Beckenbodenmuskulatur und zumindest eine geringe Sensibilität vorhanden, kann Beckenbodentraining eine wichtige Hilfe zur Vermeidung von Komplikationen sein. Das Training sollte einzeln oder in Gruppen von einem entsprechend geschulten Physiotherapeuten angeleitet und durchgeführt werden, damit die Ausführung sicher und korrekt vollzogen werden kann. Dabei ist es wichtig, dieses Training dauerhaft im Alltag beizubehalten, da sonst die Muskulatur sehr schnell wieder erschlafft.

 

Fotos: Sebastian Kaulitzki + Belchonock/123rf.com, Elevate + Marianne bosse + Claire Mueller/unsplash.com
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