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Tausche Schnee gegen Palme

Venedig ist eine der schönsten und beeindruckensten Städte der Welt. Auf mehr als 100 kleinen Inseln ist das historische Zentrum gebaut, zwischen denen sich Kanäle entlangschlängeln, die als Hauptverkehrswege genutzt werden, da es nur wenige Straßen gibt. Venedig steht mit seiner Lagune seit 1987 auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes. Diese Einzigartigkeit führt allerdings auch dazu, dass (laut Travelbook.de) ca. 80.000 Menschen jeden Tag (!) diese Stadt besuchen. Wenn man sich auf einen Aufenthalt in Venedig vorbereitet, liest man oft, dass Venedig fast vollständig dem Massentourismus verfallen ist. Die Mieten sind immens gestiegen, sodass nur wenige Venezianer sich das Leben in ihrer Stadt tatsächlich noch leisten können. Nichtsdestotrotz ist ein Aufenthalt immer noch sehr beeindruckend und die Menschenmassen verteilen sich recht gut. Wenn Sie als Besucher mit dem Auto anreisen, müssen Sie dies am Rand der Insel stehen lassen. Außer mit Sonderberechtigung gibt es kein Durchkommen. Unser Tipp: Lassen Sie Ihren Wagen auf einem sehr viel günstigeren Parkplatz auf dem Festland stehen und setzen Sie mit einer Fähre über.

 

Auch für Rollifahrer ist diese touristische Attraktion gut erkundbar. Heike Kanter hat Venedig im Rollstuhl besucht – lesen Sie ihren Reisebericht von Italiens meistbesuchter Stadt:

Nach unserer Kreuzfahrt von Barcelona durchs Mittelmeer hatten wir noch 2 Tage Zeit, Venedig zu erkunden. Wir waren vor 15 Jahren schon einmal in Venedig, allerdings damals noch ohne Rollstuhl. Weil mir Venedig damals schon nicht sehr barrierefrei erschien, habe ich mich vorher im Internet informiert. Die Stadtverwaltung von Venedig hat auf ihrer Website einige Karten, leider nur in Italienisch und Englisch, mit barrierefreien Rundgängen zum Download zur Verfügung gestellt. Für einen kurzen Aufenthalt sind diese Karten aber schon ausreichend.

Vor einigen Jahren wurden an einigen Brücken Treppenlifte angebracht, die aber allesamt wieder abgebaut wurden, weil sie andauernd defekt waren. Es gibt an verschiedenen Brücken noch Rampen, die ursprünglich für den Venedig-Marathon vorgesehen waren, aber für Rolli-Fahrer durchaus auch zu nutzen sind. Dieses Jahr durfte unser Schiff noch die Lagune zur Hauptanlegestelle Stazione Marittima fahren. Vorbei an der Einfahrt zum Canale Grande, den Markusturm im Hintergrund, war es grandios, Venedig vom Wasser aus zu sehen. Als wir endlich das Schiff verlassen konnten, war ich wieder einmal froh, dass ich meinen SERVO-Restkraftverstärker dabeihatte. Es war sehr heiß und der Weg zum People-Mover, der uns vom Kreuzfahrthafen zur Piazzale Roma bringen sollte, kam mir sehr lang vor. Für € 1,50 p.P. ging es dann barrierefrei zur Piazzale Roma. Dort warten die „barrierefreien“ Vaporetti des ACTV (Wasserbusse des öffentlichen Nahverkehrs). Je nach Wasserstand und Beladung des Vaporetto kann man durchaus ohne Barriere einsteigen, ansonsten gibt es immer viele freundliche Helfer, die zupacken, damit man an und von Bord kommt.

Für € 1,50 (Rolli-Fahrer incl. Begleiter) und € 7,50 (Fußgänger) haben wir die Linie 2 genutzt, die den Canale Grande entlang bis zum Markusplatz fährt. Vom Schiff aus hat man einen wunderbaren Blick auf die Palazzi, die entlang dieses Hauptkanals stehen. Hin und wieder erhascht man auch einen Blick in die kleinen Seitenkanäle, die nur mit Gondeln und kleinen Booten befahren werden können.

An der Haltestelle San Marco Giardinetti hat man mir freundlich über die Stufe zur Anlegestelle geholfen, weil das Vaporetto zu voll war, um eine Rampe anzulegen. Die Rampe von der Anlegestelle zum Festland konnte ich locker mit dem SERVO überwinden. Nach der entspannten Vaporetto-Fahrt kam nun der anstrengendere Teil unserer Venedig-Tour.

Als selbstständiger Rolli-Fahrer machen einem die mit alten Steinplatten oder mit Steinen gepflasterten Fußwege doch zu schaffen. Aber mit breiten, weichen Lenkrollen vorne und dem SERVO in einer mittleren Stufe als Kraftunterstützung kommt man gut weiter. Der Vorteil der Kraftunterstützung machte sich auch bemerkbar, weil ich ein paar Umwege zum Markusplatz fahren musste, während meine Familie einfach die Stufen hinuntergehen konnte.

Wie immer war es toll, den Markusdom mit dem Campanile zu sehen. Mittlerweile sind auch keine Tauben mehr auf dem Markusplatz, aber vor den Cafés spielen immer noch Musiker für die Touristen auf den Terrassen, die sich dazu noch einen Espresso für jetzt € 11,– leisten wollen. Wir schlenderten weiter zum nächsten Pflichtpunkt in Venedig, zur Ponte dei Sospiri (Seufzerbrücke), die den Dogenpalast mit dem Gefängnis verbindet. Über eine Rampe konnte ich dank der Unterstützung meines SERVO auf die Ponte della Paglia rollen und einen Blick auf diese für viele Menschen tragische Brücke werfen.

Mit Schwung ging es zurück auf den Markusplatz, am Markusdom und seinem Campanile vorbei in das Gewirr der kleinen Gassen. Viele Edel-Geschäfte haben sich in der Calle Larga XXII Marzo niedergelassen, ideal für ein bisschen Windowshopping.

Langsam bekam meine Familie Appetit. Da die Restaurants in Venedig recht teuer sind, lohnt es, einen Abstecher in eine kleine Bar (Bacari) für ein paar Chiceti (Snacks) und einen Aperitiv, oder an einen Stehtisch einer Straßen-Pizzeria zu machen. Achtung, die Bacari sind sonntags meist geschlossen. Grundsätzlich ist es in Venedig immer teuer, im Sitzen zu essen und am teuersten auf einer Terrasse.

Wer aber Glück hat und eine Osteria findet, sollte pünktlich um 12.00 Uhr da sein, damit er noch einen Platz findet, bevor die Einheimischen und Arbeiter alles besetzt haben. Meist gibt es dann ein oder zwei Menüs, die frisch gekocht wurden. Gerne mit dem bekannten Risotto in allen möglichen Variationen.

Nach einer kleinen Stärkung schlenderten wir langsam zurück zur Anlegestelle, beobachteten kurz das Treiben an der Gondelanlegestelle Bacino Orseolo vor dem Hard Rock Café und nahmen die Vaporetto Linie 1 zurück zum Piazzale Roma.

Nach einer erholsamen Nacht hatten wir uns für den nächsten Tag eine Fahrt nach Burano vorgenommen. Da wir das Kreuzfahrtschiff verlassen mussten, wollten wir unser Gepäck am Bahnhof St. Lucia deponieren. Dafür wollten wir die Ponte della Constituzione überqueren, die seitlich einenspeziellen kugelförmigen „Aufzug“ hat. Allerdings ist dieser nur einmal sehr kurz in Betrieb gewesen und seitdem nur noch defekt. Wir fuhren dann mit dem Vaporetto bis zum Bahnhof.

Für diesen Ausflug sollten sich die Fußgänger eine Tageskarte für die Vaporetti besorgen, da jede Fahrt für Fußgänger € 7,50 und für Rolli-Fahrer incl. Begleitung wieder nur € 1,50 kostet.

Burano ist bekannt für seine bunten Fischerhäuser. Die Vaporetti nach Burano sind oft sehr voll, deshalb lohnt es sich, früh zu starten und auch vor allen anderen wieder zurückzufahren, zumal die Fahrt mit 1,5 Std. und einmal umsteigen doch recht lang ist.

Burano ist fast vollkommen barrierefrei und hat auch kleine Parks, in denen man zu einem kleinen Picknick verweilen kann. Wir sind einfach nur durch die Gassen geschlendert und haben das Treiben der Lastkähne auf dem Kanal beobachtet. Hier werden die Restaurants noch mit dem Lastkahn beliefert und die Handwerker fahren mit dem Boot zur Baustelle. In der Nähe der Chiesa di S. Martino soll es sogar eine behindertengerechte Toilette geben.

In einem der Parks am Wasser haben wir noch unsere gefüllten Hörnchen aus einer Bäckerei verspeist, bevor wir den Rückweg zum Bahnhof angetreten haben.

Dort haben wir uns ein Taxi zum Flughafen Marco Polo genommen, damit wir rechtzeitig unseren Abendflug erreichen konnten.

Mein Fazit:

Venedig ist trotz seines Alters und der vielen Brücken und Wasserstraßen auch für Rollstuhlfahrer ein schönes Ziel. Es bedarf auf jeden Fall einer gründlichen Vorbereitung und wir werden in naher Zukunft nochmals einen Trip außerhalb der Hauptreisezeit nach Venedig planen, um einige Museen und Kirchen zu besuchen, die uns jetzt einfach zu voll waren.

 

Fotos : Privat ,Redaktion Barrierefrei , pixabay.com

INFO

Einige interessante Links (viele leider nur in Italienisch oder Englisch)

Karte für „barrierefreies“ Venedig:

http://archive.comune.venezia.it/flex/cm/pages/ServeAttachment.php/L/EN/D/f%252F0%252F5%252FD.ebb9ee03920b41f50085/P/BLOB:ID=1318/E/pdfwww.comune.venezia.it/en/content/barriers-free-itineraries

Man kann auf dieser Website zur Commune Venezia verzweigen und sogar eine genaue Beschreibung incl. Fotos der Toilettenanlage bekommen.

www.wctoilettevenezia.com

Die Fragen sind für Rolli-Fahrer sehr informativ:

www.veneziaunica.it/de/content/häufig-gestellte-fragen-faq

Eine Website, die zwar vornehmlich Ferienwohnungen vermittelt, aber durchaus einen gut zu gebrauchenden Artikel über die Barrierefreiheit von Venedig hat.

http://blog.only-apartments.de/barrierefreies-venedig

Und mehr zu meinem kraftverstärkenden Zusatzantrieb SERVO:

www.aat-online.de

Wien im Rolli entdecken. Weitere Infos finden Sie hier: https://barrierefrei-magazin.de/artikel/wienrolli-vs-kultur/


 

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