StartKinder mit BehinderungJanne - Nordfriesischer Kämpfer 

Janne – Nordfriesischer Kämpfer 

Janne, ein 16-jähriger, im letzten Jahr konfirmierter, echter nordfriesischer Jung. Seine Leidenschaft und Zeit widmet er Zügen. Stundenlang kann er an den Gleisen stehen und ihnen zuschauen. Als Baby stand Janne vor dem plötzlichen Kindstod. Ein Albtraum aller Eltern. Janne war gerade siebeneinhalb Wochen alt, als die Vorstufe zum plötzlichen Kindstod diagnostiziert wurde. Durch Atemaussetzer und Sauerstoffmangel konnte keine ausreichende Versorgung im Gehirn stattfinden. Doch er kämpfte sich zurück – zurück ins Leben. Seitdem leidet Janne an einer globalen Behinderung (einer Lernbehinderung, ausgelöst durch die Atemaussetzer). Immer an seiner Seite: Seine Eltern – die ihn liebevoll umsorgen, die ihn begleiten auf seinem besonderen Weg und die sich das Beste für ihren Sohn wünschen. Wir sprachen mit seiner Mutter Stephanie über das Leben mit einem behinderten Kind.

Liebe Stephanie, wir freuen uns, dass du uns von Janne und eurem Familienleben erzählen magst. Worin lag der Grund für die Behinderung von Janne?

Stephanie: Janne hat eine globale Lernbehinderung (zuerst eine Lernverzögerung, ausgelöst durch Atemaussetzer). Er stand damals als Baby vor dem plötzlichen Kindstod. Es folgte ein Krankenhausaufenthalt. Niemand wusste damals, wie sich Jannes Gesundheitszustand auswirkt bzw. wohin seine Reise führt. Durch den Sauerstoffmangel konnte man noch nicht erkennen, inwieweit eine Lernbehinderung ober eine Lernverzögerung bleibt. Was jedoch bei der Gehirnmessung schon erkennbar war: Einige Teile waren abgestorben bzw. nicht richtig versorgt, so wie es hätte sein sollen. Daraufhin erfolgte alle drei Monate eine Kontrolluntersuchung in der Uniklinik Kiel. Heute müssen wir nur noch halbjährlich dorthin. Anfangs war Jannes Kopf auch deformiert. Er war im Vergleich zum Körper zu klein. In der Uniklinik Kiel wird verstärkt darauf geachtet, denn wenn der Kopf nicht mitwächst, dann hat das Gehirn nicht genug Platz, und es müssen weitere medizinische Maßnahmen eingeleitet werden. Bei Janne war es damals so, dass sich die Fontanelle zu schnell verschlossen hat. Dadurch ist der Kopf zu klein geblieben.

BF: Wie geht ihr im Familienleben mit der Behinderung um?

SF: Im Alltag sind wir alle im Großen und Ganzen gut eingespielt. Es gibt aber immer wieder Situationen, bedingt durch Jannes Behinderung, bei denen wir als Familie ganz auf uns allein gestellt sind. Das soziale Netz um uns herum ist sehr klein und fragil. Dazu kommt, dass Janne keine Freunde:innen hier bei uns im Ort hat, und die Schule ist in einem anderen Ort. Aber er ist sowieso ein Einzelgänger. Das Zentrum ist die Familie: Aufgeteilt in Papa, der es objektiv sieht, und Mama, die es eher subjektiv betrachtet. Janne bekommt Förderungsmaßnahmen wie Ergo- und Mundtherapie sowie Sprachförderung. Er hat keinen Mundschluss.

Ein Junge auf einem Tritt stehend. Er trägt eine blaue Arbeitshose. In seiner linken Hand hält er eine Bohrmaschine. In der rechten Hand hält er Schrauben. Vor ihm ein Holzgestell. Er befestigt ein Scharnier.

BF: Wie werdet ihr als Familie wahrgenommen?

SF: Grundsätzlich werden wir als sehr vorsichtige Familie wahrgenommen. Sehr umsorgend, was Janne betrifft, für viele auch zu umsorgend. Die Menschen, die uns kennen, sehen uns eher als besondere Familie, nicht als „normale Familie“ an, weil wir ein anderes Leben führen.

BF: Als klar war, dass Janne mit einer Behinderung aufwächst, wo hast du dich dazu informiert?

SF: Bevor wir Janne in den Kindergarten gegeben haben, haben wir uns viel mit seinem damaligen Kinderarzt unterhalten. Er stand uns viel zur Seite, wir fühlten uns gut umsorgt und aufgehoben. Damals hieß es, dass Janne eine Lernverzögerung hat, die sich im Laufe der Zeit regulieren würde. Deshalb haben wir damals keine Vereine oder Ähnliches aufgesucht. Frühförderung hat er damals bekommen. Die motorischen und feinmotorischen Bewegungen waren verzögert, sodass wir osteopathisch und kinesiologisch viel gemacht haben. Auch dort fühlten wir uns gut aufgehoben und hatten immer das Gefühl, gute Menschen um uns zu haben, sodass das für uns ausreichte. Durch Jannes Lernverzögerung haben wir uns dann für den Kindergarten der Leni-Frühförderung (Lebenshilfeeinrichtung) entschieden.

Nach der Kindergartenzeit haben wir die Entscheidung getroffen, dass Janne zur Waldorfschule gehen sollte. Für uns eine sehr positive Erfahrung. Hier stimmte das Rundumpaket in allen Bereichen. Nicht nur der schulische Part, sondern auch die Begleitung und Betreuung und das Gucken aufs einzelne Kind wurden hier sehr gefördert. Dort war immer ein:e Ansprechpartner:in vorhanden, egal ob Lehrer:in oder ein anderer Elternteil oder durch die Elterngemeinschaft. Dort waren Janne und wir als Eltern sehr gut aufgehoben. Ein Schulwechsel erfolgte ab der 6. Klasse zur Rungholtschule in Husum. Eine weitere positive Erfahrung war ein privater Schwimmkurs, durch den Janne das Seepferdchen und Bronzeabzeichen erreichen konnte.

In einem Bahnhofsgebäude. Ein Junge steht am Bahngleis. Er schaut nach rechts auf einen rotgelben Zug, der vor im fährt.

BF: Bekommt ihr finanzielle Unterstützung vom Staat?

SF: Über die Pflegekasse. Janne hat einen Pflegegrad (4), darüber bekommt er das Pflegegeld. Sondermittel können über die Krankenkasse abgerechnet werden. Janne besitzt einen Schwerbehindertenausweis.

BF: Und an wen wendet man sich, wenn man Hilfe benötigt?

SF: An den:die Kinderarzt:in. Die Hilfe, die wir benötigten, bekamen wir immer über die Therapierenden und Physiotherapierenden und deren Empfehlungen zu Spezialisten:innen für Kinder mit besonderem Bedarf. Ebenfalls die Uniklinik in Kiel.

BF: Was würdest du als Rat für andere mitgeben?

SF: Seine eigenen Ängste nicht zu verstecken. Wichtig ist, dass man jemanden an seiner Seite hat, mit dem man sich austauschen kann (dem:der Partner:in, einem:einer Freund:in). Seinem inneren Gefühl zu folgen, den Mut zu haben, wenn man merkt, sein Kind ist nicht richtig aufgehoben (Beispiel: Kindergarten, Therapierdende), ein Gespräch darüber zu führen oder auch ggf. einen Wechsel in Anspruch zu nehmen. Eine gute Intuition zu haben. Den Weg zu gehen, der für sein Kind der beste Weg ist. Mut zu haben und ein ruhiges Gefühl zu besitzen.

BF: Herzlichen Dank, liebe Stephanie, für deine Zeit und das Interview!

Anzeige
Anzeige

BELIEBTE BEITRÄGE