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Entspanntes Fliegen mit dem Rollstuhl im Gepäck

Tipps & Erfahrungen über das Fliegen mit Rolli von unserer Redakteurin Heike

Natürlich können auch Rollstuhlfahrer:innen Flugreisen unternehmen, das ist kein Geheimnis. Ich bin schon etwas länger aufgrund meiner MS Rollifahrerin und bereits mit einigen Linien- und Charterfluggesellschaften umhergedüst und habe auch verschiedene Flughäfen kennengelernt.

Die Buchung erfolgreich meistern

Dabei stellen sich besonders bei der Buchung der Flugreise erst mal verschiedene Fragen: Welche Services brauche ich am Flughafen und im Flugzeug? Mit welcher Art von Rollstuhl bin ich unterwegs – manueller Rollstuhl, elektrischer Rollstuhl, Restkraftverstärker? Meistens bin ich mit meinem SERVO-Restkraftverstärker und zusätzlichen manuellen Rädern unterwegs. Für den Transport im Flugzeug nehme ich meine Restkraftverstärker-Reifen ab und verstaue sie mit Rädertaschen gepolstert in einem passenden Koffer. Am Flughafen bewege ich mich dann mit den manuellen Rädern.  Bei der Buchung gebe ich bereits im Reisebüro bzw. auf der Website der Flugbuchung an, dass ich den Rollstuhlservice benötige.

Transportgenehmigungen & Infos für die Airline

Da mein Restkraftverstärker über einen Li-Ionen-Akku verfügt, kontaktiere ich die Fluggesellschaft noch separat per E-Mail über die Bauart des Akkus und lege vorhandene Transportgenehmigung der IATA bei. Auch das Gepäckstück mit den Restkraftverstärker-Reifen melde ich damit an. Manche Fluggesellschaften haben ein spezielles Formular für den Transport von Rollstühlen, das man auf der Website finden kann oder einem später zum Ausfüllen zugesandt wird. Für die Fluggesellschaft ist es wichtig, mehr über den Rollstuhl zu erfahren. Es geht um Gewicht, Größe, Ausstattung etc., damit die Art der Verladung und der Platzbedarf im Flugzeug geplant werden können. Es ist sehr viel komplizierter, mit einem großen Elektrorollstuhl zu fliegen als mit einem faltbaren Rollstuhl mit Zusatzantrieb. Die meisten Ferienflieger besitzen nämlich nur eine relativ kleine Ladeluke zum Gepäckraum. Große Elektrorollstühle passen da oftmals nicht durch.

Anzeigetafel am Flughafen

Am Flughafen

Damit am Flughafen und im Flugzeug alles klappt, melde ich zuvor meinen Betreuungsbedarf direkt mit dem entsprechenden SSI-Code an (siehe Artikel: „Reisen für Menschen mit Beeinträchtigungen“). Bei mir ist es das WCHC, das bedeutet, Rollstuhl an Bord – Fluggast benötigt Onboard-Rollstuhl und muss umgesetzt werden. Ich kann zwar manchmal noch ein paar Schritte gehen, allerdings ist das stark tagesformabhängig, deshalb ist es besser, WCHC zu buchen, als nachher nicht zum Sitzplatz zu gelangen.

Bestätigung prüfen

Habe ich alle Angaben gegenüber der Fluggesellschaft gemacht, folgt in den allermeisten Fällen eine schriftliche Bestätigung über den angemeldeten Rollstuhl und den Service. Manchmal muss man die Bestätigung noch einmal extra anfragen. Nur einmal hatte ich ziemlich große Probleme, meinen Akku mitnehmen zu dürfen, trotz vorhandenem IATA-Flugtauglichkeitszertifikat. Hierbei hat die Fluggesellschaft (TUI fly) drei Wochen gebraucht, um mir die Mitnahme meines Li-Ionen-Akkus zu verweigern. Drei Tage vor Abflug kam die Ablehnung, und trotz weiterer vorgelegter Bescheinigungen zur Flugtauglichkeit beharrte man darauf, dass ich den Li-Ionen-Akku nicht mitnehmen dürfe. Zum Glück konnte mir sehr spontan und kurzfristig der Hersteller meines SERVO-Restkraftverstärkers mit einem Blei-Gel-Akku aushelfen. Der hat zwar nicht die gleiche Leistung, aber den durfte ich ohne Einschränkung mitnehmen. Seltsamerweise bin ich mit dem Li-Ionen-Akku einige Male zuvor mit anderen Fluggesellschaften ohne Probleme geflogen.

Medizinisches Gepäck

Hat man alle Unterlagen zusammen, unter anderem Atteste für Medikamente, und sonstiges medizinisches Gepäck vorliegen, folgt neben dem üblichen Packen des Reisegepäcks auch das Packen des evtl. Notfallmaterials für den Rollstuhl. Bei mir im Gepäck sind immer ein Ersatzschlauch, passende Inbusschlüssel, passende Maulschlüssel, Gewebeklebeband sowie eine kleine Hochdruckluftpumpe. Das packe ich in den Koffer mit meinen SERVO-Restkraftverstärker-Rädern. Zusätzlich markiere ich diesen Koffer mit „fragile – zerbrechlich“.

Ist alles organisiert und gepackt, kann es relativ entspannt zum Flughafen gehen.

Bei manchen Flughäfen gibt es Sonderkonditionen für Rollstuhlfahrer:innen, die selbstständig mit dem Auto anreisen und dort parken. Dafür ist die Vorlage des EU-Parkausweises nötig. Auf den entsprechenden Websites der Flughäfen kann man sich darüber informieren, welche Parkhäuser geeignet sind und was es kostet.

Services am Flughafen können sehr nützlich sein

Sitzplätzeam Gate, im Hintergrund Rollstühle für mobilitätseingeschränkte Gäste

Auf dem Flughafen Düsseldorf kann man sogar vom Rollstuhlservice im Parkhaus abgeholt werden und wird dann mit dem Gepäck zum Check-in gebracht. Meistens werde ich dann zu einem speziellen Schalter gefahren. Dort wird mein gesamtes Gepäck gelabelt, und auch mein Rollstuhl bekommt ein Gepäck-Label. Meine gut verpackten SERVO-Reifen werden aufgrund des Gewichts und der Größe zum Sperrgepäckschalter gebracht und dort entgegengenommen. Ich könnte mich jetzt in einen vom Flughafen bereitgestellten Leichtgewichtrollstuhl umsetzen und meinen Rollstuhl beim Sperrgepäck aufgeben, aber ich bevorzuge es, meinen Rollstuhl bis zum Gate mitzunehmen.

Jetzt bin ich nur noch mit meinem Handgepäckrucksack unterwegs … In diesem befindet sich auch der Li-Ionen-Akku, da dieser nur im Handgepäck transportiert werden darf.

Sicherheitskontrollen

Meistens vereinbare ich mit dem Mitarbeitenden des Betreuungsservice, dass ich mich jetzt selbstständig weiter bis zum Gate bewege. Wird die Zeit allerdings zu knapp, um noch etwas shoppen zu gehen, lasse ich mich auch gerne durch den Sicherheitsbereich begleiten. Dort wird mein Handgepäck durch den Scanner geschickt und der Akku mit dem IATA-Zertifikat kontrolliert. Ich werde abgetastet, mein Rollstuhlkissen wird kontrolliert und der obligatorische Sprengstofftest an meinem Rollstuhl vorgenommen. Dabei wird mit einem Teststreifen über den Rahmen und die Greifreifen gestrichen. Ein Gerät wertet anschließend diesen Streifen aus. Bei mir war bis jetzt immer alles in Ordnung, aber ich habe auch schon gehört, dass glycerinhaltige Handcreme an den Greifreifen zu einem Fehlalarm geführt hat. Ich hatte nur einmal einen Fehlalarm, weil mein Brötchen im Handgepäck mit Fleischwurst belegt war …  Fleischwurst gegessen – und alles war okay. Das brachte auch das Sicherheitspersonal zum Schmunzeln.

Spätestens nachdem ich jetzt wieder alles eingepackt und am Rolli verstaut habe, vereinbare ich mit dem Mitarbeitenden des Betreuungsservice das Treffen am Gate. Ich möchte ja schließlich noch kurz zum Duty-free-Shop, auf Toilette und etwas Trinken für den Flug kaufen.

Aufenthalt und Fortbewegung am Gate

Am Gate kommt dann wieder meine Betreuung, die mich beim Boarding über den sogenannten Finger zur Flugzeugtüre schiebt – meist als Erstes gemeinsam mit den Familien und den Kinder-Buggys. Manchmal steht das Flugzeug auf einer Außenposition, dann bringt mich der Betreuungsservice zu einem speziellen Hubwagen, der mich zum Flieger bringt. Je nach Auslastung des Hubwagens passiert es auch schon mal, dass ich nicht als Erste, sondern als Letzte geboardet werde. Immer diese Behinderten, auf die man warten muss …

Je nach Tagesform steige ich jetzt in den Bordrollstuhl und klappe meinen Rolli zusammen – oder ich klappe meine Reisegehstützen aus und wanke zu meinem Sitzplatz. Wichtig ist, dass mein Sitzkissen mit in die Kabine kommt, während mein Rollstuhl darauf wartet, noch verladen zu werden. Als Rollifahrerin muss ich meistens am Fenster sitzen, damit ich im Evakuierungsfall keinen anderen Fluggast behindere. Deshalb verstaue ich mein Handgepäck vor meinem Sitz, denn an die Gepäckfächer komme ich während des Fluges nicht mehr dran. Jetzt beginnt die ruhige Phase des Fluges …

Zum Glück war ich vorher noch am Flughafen auf Toilette, denn an Bord ist bei Kurz- und Mittelstreckenreisen meistens kein Bordrollstuhl vorhanden. Der Weg mit dem Bordrollstuhl zur Toilette gleicht auch einem Spießrutenlauf an mitleidigen Gesichtern vorbei, und die Flugzeugtoiletten sind meist sooo klein, dass ein Umsetzen ohne gymnastische Verrenkungen unmöglich ist.

Ankunft am Zielflughafen – Hallo Urlaub!

Leitsystem am Flughafen. Zu sehen ist ein Schild mit der Aufschrift Arrivals/Ankunft.

Am Ankunftsort angekommen, dürfen zuerst die anderen Passagier:innen aussteigen und sich an der Flugzeugtüre drängeln. Ich bin ganz froh, dass ich alles in Ruhe erledigen kann, meistens muss ich später trotzdem noch, wie alle anderen, auf mein Gepäck warten. Aber zunächst erwartet mich wieder der Betreuungsservice. Wenn ich Glück habe mit meinem Rollstuhl, denn ich versuche immer, beim Check-in für meinen Rollstuhl den Code DAA (Delivery at Aircraft) vermerken zu lassen. Wenn es nicht klappt, steht da ein Leichtgewichtrollstuhl. Zum Glück habe ich dann wenigstens mein eigenes Kissen unterm Hintern, und der Rolli kommt mit dem anderen Gepäck. Auf geht’s jetzt zur Pass- und Sicherheitskontrolle. Die Mitarbeitenden sind dabei oft sehr flott unterwegs und ich komme schneller durch. Bevor es dann zum Gepäckband geht, suche ich die nächste Toilette auf – wer weiß, wie lange es noch am Gepäckband dauert. Der Service kümmert sich wieder um mein Gepäck, und auch meine SERVO-Räder werden abgeholt. Jetzt ist die letzte Möglichkeit, zu kontrollieren, ob der Rollstuhl und das Gepäck ohne Schaden angekommen sind. Sollte etwas beschädigt worden sein, hilft der Betreuungsservice auch weiter und bringt einen zum entsprechenden Schalter, um den Schaden zu melden.

Zum Schluss werde ich noch durch die Zollkontrolle begleitet und hoffentlich von meinem gebuchten Transfer abgeholt. Bis heute hat das alles, bis auf einen einmaligen Schaden an meinem Rollstuhl, einwandfrei geklappt.

Fliegen als Rollstuhlfahrer:in ist spannend, bedarf genauer Planung, aber ist wirklich kein Hexenwerk.

 

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