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Designermode für Rollstuhlfahrer

Frau Thom, wir freuen uns, dass Sie für ein Interview zum Thema Mode zur Verfügung stehen.

MOB Industries vereint funktionale Mode für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen mit hochwertigen Materialien und ausgefallenen Designs.

Warum reichte die Mode von der Stange in Ihren Augen nicht aus? Was war das Motiv, zielgruppengerechte Mode zu kreieren?

Menschen mit Behinderung haben, was ihre Kleidung angeht, mitunter ganz andere Ansprüche. Reißverschlüsse und Knöpfe können schnell zur Herausforderung werden, Schnitte müssen auch dahin gehend angepasst werden, ob Menschen im Rollstuhl sitzen oder nicht und ob Bein- oder Armschienen getragen werden. Einen hohen Tragekomfort für Hosen bieten Stoffe mit Elasthan-Anteil und Naturfasern. Für Hemden oder Blusen können innovative Materialien, beispielsweise mit Lotuseffekt, viele Vorteile für Menschen mit Behinderungen bieten.

Die Mode, die Sie anbieten, ist für viele Behinderungsarten vorgesehen, wie zum Beispiel für Rollifahrer. Was sind die Bedürfnisse in Bezug auf die Mode?

Kleidungsstücke passen im Rollstuhl nur selten perfekt – die Hosenbeine wie beim Hochwasser, die Ärmel schleifen an den Rollstuhlrädern, und das Oberteil bildet vorn eine unvorteilhafte Stoffwurst. Manchmal drücken die unnützen Hosentaschen am Po. Der verflixte Knopf, der zu enge Schnitt – RollstuhlnutzerInnen wird das Fashion-Erlebnis nicht immer leicht gemacht.

Eine Lösung des Problems: barrierefreie Kleidung. Vorteile sind einfaches, schnelles, angenehmes und möglichst eigenständiges An- und Auskleiden. Spezielle Schnitte, die für die Körperformen von RollstuhlnutzerInnen optimiert sind, steigern den Modespaß.

Eine weitere Hürde ist die Barrierefreiheit von Geschäftslokalen, wie zum Beispiel das Fehlen einer Rampe oder eines Lifts, von barrierefreien WCs und Umkleidekabinen in den Geschäften.

Nichtsdestotrotz: Die Ansprüche von RollstuhlnutzerInnen an ihre Kleidung sind sehr individuell, so individuell wie die TrägerInnen selbst. Im Onlineshop bieten wir standardisierte Produkte an. Jedes unserer Produkte kann allerdings an die jeweiligen Ansprüche der KundInnen angepasst werden.

Haben Sie in Ihrem Team Menschen mit genau dieser Behinderung, oder woher wussten Sie, welche Bedürfnisse es jeweils zu erfüllen gibt?

Unsere Produkte werden in transdisziplinären Teams entwickelt. Gemeinsam mit RollstuhlnutzerInnen, Angehörigen/persönlicher Assistenz und jungen ModemacherInnen sind wir dann zu unterschiedlichen Designlösungen unserer Produkte gekommen. Die unterschiedlichen Ansprüche moderner RollstuhlnutzerInnen sind wesentlich für die Entwicklung der hier präsentierten Produkte. Diese wären ohne ihre Beteiligung bei den zahlreichen Anproben, Redesigns und Fittings gar nicht möglich gewesen.

Ich selbst habe die Position der Angehörigen, da ich eine ältere Schwester mit Mehrfachbehinderung habe. Aber auch die der Pflegenden und persönlichen Assistentin, weil ich lange Zeit im Pflegebereich gearbeitet habe.

Nachhaltigkeit ist ja zurzeit ein wichtiges Thema. Inwiefern kann man in der Modebranche darauf achten? Ist sie in der Produktion ohne Weiteres umsetzbar?

Wir produzieren all unsere Produkte in Wien und die meisten davon on demand. Wir verwenden zum Teil nachhaltige Materialien wie Leinen, Viskose oder Tencel. Eine große Herausforderung ist aber der Preis. Lokale Produktion ist um ein Vielfaches teurer, wodurch auch der Preis für die EndkundInnen steigt.

Wovon lassen Sie sich als Label in Bezug auf die Kollektionen inspirieren? Von der Fashion Week oder den Mainstream-Modetrends?

Die Inspirationen kommen von den jeweiligen DesignerInnen, mit denen wir kooperieren. Unsere Eigenmarke MOB Industries ist dagegen nicht saisonal, sondern setzt auf klassische Schnitte mit barrierefreien Details, die aber in vielen Materialien und Saisonfarben bestellt werden können.

Und noch eine letzte Frage: Wie vertreibt man Mode für Menschen mit Behinderung? In den normalen Stores ist sowas ja eher nicht zu finden …

Wir bieten viele verschiedene Vertriebswege an, da wir so den unterschiedlichen Ansprüchen unserer KundInnen gerecht werden können. Wir haben unseren eigenen Onlineshop, oder man kann bestimmte Produkte über die Internetplattform wedresscollective.de ausleihen. Manche KundInnen bevorzugen wiederum Telefonbestellungen. Außerdem bieten wir Direktvertrieb in Deutschland an, das heißt Haus-/Institutionsbesuche. Wir haben Vertriebspartner in Form von Reha-Häusern in Köln, Berlin, Dresden und Magdeburg, bei denen Sie Jacken und Fußsäcke nach Maß in Auftrag geben können.

Vielen Dank für Ihre Zeit!

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