StartAmputation & ProthetikCaptain Hook & his Crew

Captain Hook & his Crew

Als Henry und ich uns kennenlernten, fieberte ich gerade meinem zweiten Rennen entgegen. Ich stand an der Startlinie beim World SUP Cup von Mercedes-Benz 2018 in Scharbeutz, da kam er auf mich zu: ,Hey prima – da sind wir schon zu zweit mit Handicap!“, oder so ähnlich und zack, war er weg und das Startsignal ertönte … Ihm fehlte auf der linken Seite der Unterarm, das konnte ich noch erkennen. Nach dem Rennen kam er mir entgegen zum Drücken und Gratulieren und wir machten noch ein Foto mit Olivia Piana (Siegerin bei den Profis) und zack, war er wieder weg. Ich verlor ihn im wahrsten Sinne des Wortes aus den Augen. Über den Veranstalter war es nicht möglich, ihn zu finden, aber über Instagram. Lange passierte nichts, doch dann – auf der „boot 2019“ in Düsseldorf nahmen die Dinge ihren Lauf. Endlich traf ich Henry wieder!

Er fragte mich direkt, ob ich nicht Lust hätte, in seinem Team bei der Midsummer Viking Challenge mitzufahren. „Das ist ein 24-Stunden-Rennen und wir müssen wenigstens drei, maximal fünf Leute sein. Meine Eltern – Peter und Annette – machen mit, mit dir wären wir vier.“ „Henry, weißt du, wo-rauf du dich da einlässt? Auf den vorderen Plätzen werden wir da nicht landen mit meinem Haxen.“ „Ach quatsch, das wird lustig!“ Während der Unterhaltung kam auch Anne (mein Lieblingsmensch) hinzu und schloss sich spontan als fünftes Mitglied dem Team an. Henry erklärte uns, worum es genau gehe: „Jedes Team benötigt einen Sponsor, der pro gepaddelte Runde zahlt. Je mehr Runden, desto mehr Geld. Dieses erpaddelte Geld kommt einer Umweltorganisation zugute: Plastic Change.“


INFOBOX
Für eine Welt ohne Plastikverschmutzung

Plastic Change ist eine dänische Umweltorganisation, die sich der Bekämpfung der Plastikverschmutzung verschrieben hat. Denn drei Generationen der Plastiknutzung haben ihre Spuren überall hinterlassen — an Land und an Wasser. Nur ein Bruchteil davon wird recycelt oder vernichtet. der Rest bleibt Hunderte von Jahren in der Natur. Plastic Change will lokal, national und global eine Bewegung ins Leben rufen, die zur Verwirklichung der Vision einer Welt ohne Plastikverschmutzung führt. Dies will die Organisation durch Dokumentation. Aufklärung und die Vorstellung von Losungen erreichen — in der Oppositionsarbeit und in Zusammenarbeit mit der Bevölkerung, Unternehmen und Politikern.

Internationaler Einfluss
Im November 2018 wurde Plastic Change erfolg- reich von der UN-Umweltorganisation (UNEA) akkreditiert. Die Akkreditierung ist der wichtigste Einstiegspunkt für große Gruppen und Interessengruppen in den umweltpolitischen Dialog bei den Vereinten Nationen. Dies bedeutet. dass Plastic Change direkt an diesem Prozess teilnehmen und einen Beitrag dabei leisten kann, die zukünftigen Sitzungen der Umweltversammlung der Vereinten Nationen mitzugestalten. Darüber hinaus ist Plastic Change seit Januar 2019 Mitglied des Lenkungsausschusses der globalen Bewegung Break Free From Plastic, an der mehr als 1.300 Organisationen weltweit beteiligt sind und die sich eine Zukunft ohne Plastikverschmutzung vorstellen.

Mehr über die Arbeit von Plastic Change und wie Sie diese unterstützen können, erfahren Sie hier: www.plasticchange.org


Mit Captain Hook nach Kopenhagen

Das hörte sich schon mal gut an. ,In erster Linie geht’s um den Spaß am Paddeln und den guten Zweck, das wird `ne super Veranstaltung und sehr entspannt – glaub mir …“

Also meldete Henry uns als Team an mit dem Namen ,Captain Hook & and his Crew“. Den Namen fand ich cool, auch wenn sich mir die Bedeutung erst kurz vor dem Event erschloss: Für mich war Hook immer ein langhaariger Pirat aus Nimmerland, der Peter Pan ständig auf die Pelle rückte. Die Gemeinsamkeit des fehlenden Unterarms fiel mir erst später auf.
Ich fieberte dem Mittsommer-Wochenende entgegen und hatte keine Ahnung, was mich erwartete. Am Freitag, den 21. Juni, war es dann so weit. Anne holte mich ab und wir fuhren nach Kopenhagen, Henry, Peter und Annette waren schon da.

Am nächsten Morgen ging es los mit den Vorbereitungen und anschließend zum Riders Meeting. Uns wurde erklärt, wo die Bojen stehen, wie wir an ihnen vorbeizufahren haben. Wir erfuhren etwas über die Sicherheitsvorkehrungen, den Umgang miteinander auf dem Wasser und einiges mehr.

Erste Runde: Kabbelwasser

Wir legten unsere Startreihenfolge fest (Henry, ich, Anne, Peter, Annette) und wechselten nach jeder Runde. Der Startschuss fiel. Henry startete als Captain als Erster, danach war ich dran. Vor lauter Aufregung bekam ich den Restube-Gürtel nicht um den Bauch, dann das Shirt nicht über den Trinkrucksack. Aber nun hieß es hinstellen und los.

Die ersten beiden Kilometer in der Lagune waren nicht schlimm, aber dann ging es raus aufs Meer, da fing dann auch das Kabbelwasser an. Selbstverständlich bin ich baden gegangen, aber nur dreimal, und im Knien musste ich auch mal paddeln. Zurück in der Lagune wurde es unmittelbar ruhiger, sodass ich noch mal das Tempo anziehen konnte und da war das Tor in Sicht … Mega! Erste Runde geschafft. Nach mir musste Anne paddeln und leider das nasse Lycra anziehen. Im Schnitt schaffte jeder von uns zwischen 40–45 Minuten pro 5-km-Runde.

Nachtwanderung auf dem Board

Bevor die Dunkelheit einsetzte, fand noch mal ein Ri-ders Meeting statt. Henry absolvierte die erste Fahrt in die Dämmerung mit Kopfbeleuchtung. Dann war ich an der Reihe. Boardlampe am Bug und mit Lampe auf dem Kopf. Rein in die Dämmerung. Anfangs war es echt spannend. Auf dem Öresund wurde es zunehmend dunkler, die Wellen waren immer noch da.
Im Dunkeln wurde es jetzt schwierig für mich, da ich die Wellen zwar hörte, aber nicht mehr wirklich sehen, sondern nur noch spüren konnte. Also kniete ich mich hin, bis ich die zweite beleuchtete Boje entdeckte. Es war unheimlich. Unter dir siehst du nichts, vor dir vielleicht mal ein kleines rotes Licht von einem Mitfahrer und den Schein deiner eigenen Beleuchtung, links die Brücke nach Malmö und rechts Kopenhagen. Einerseits fühlte ich mich unwohl, andererseits jedoch gut bewacht, da Sicherheits-Boote unterwegs waren und patrouillierten. Man hatte uns immer im Blick.

Als ich durch das Tor fuhr, war ich erleichtert. Im Dunkeln würde ich bei den Bedingungen keine weitere Runde fahren können. Die anderen übernahmen, ich setzte einmal aus und legte mich stattdessen hin, um kurz auszuruhen. Ich versprach, in der Morgendämmerung sofort weiterzufahren. Das tat ich auch. Kurz vor 4 Uhr stand ich auf, zog mich an und paddelte um 4.10 Uhr in die nächste Runde.

Ein Morgen wie im Traum

Als ich losfuhr, erklangen Stimmen, die ein dänisches Lied sangen und mich hell und klar bis in die Lagune begleiteten. Es war wunderschön, fast mystisch und ich konnte nicht anders, als zu lächeln. Das Meer hatte sich auch beruhigt, der Wind hatte nachgelassen und ich kam richtig gut voran.

Ich weiß nicht warum, obwohl ich von Samstagmorgen 7 Uhr bis zu diesem Zeitpunkt (4.10 Uhr) nur eine Stunde geruht hatte, hatte ich das Gefühl, ich könnte Bäume ausreißen. Ich hatte Kraft ohne Ende und war beim Paddeln im Flow. Unter mir das dunkelblaue Wasser, über mir der Nachthimmel, der sich absetzte in hellblau, orange, rosa und die Brücke nach Malmö in schwarz … Dann wurde es an meiner linken Schulter warm, ich drehte meinen Kopf nach links, die Sonne ging auf, es war der Hammer. Der perfekte Moment – seitdem ich paddle.
Rückblickend war das meine beste Runde. Als ich durch das Tor fuhr, war ich darauf eingestellt, eine zweite Runde zu fahren, damit Anne weiterschlafen kann, aber sie stand da mit einem Lachen im Gesicht und bereit zum Schichtwechsel.

Sieger der Herzen

Das Rennen neigte sich dem Ende zu. Vorgabe war, dass um 13 Uhr die letzte Runde mit allen gemeinsam gepaddelt wird, sodass wir das Event um 14 Uhr beschließen könnten. Bei der Siegerehrung gewann ein Team mit 42 Runden, Platz zwei und drei folgten jeweils mit ein, zwei Runden weniger. Und dann kam die Platzierung für das beste Team der Kategorie „Teamspirit und Sportsmanship“ (die wurde von allen Teams festgelegt, man musste im Vorfeld drei Teams auswählen).

„Fucking awesome!
You showed us that
everything is possible …

Auf Platz eins mit eindeutiger Mehrheit gewählt:
CAPTAIN HOOK & HIS CREW!!!!“

Alter Schwede! Wir hatten es getan, wir hatten es tatsächlich geschafft. Wir sind 25 Runden in 24 Stunden gepaddelt! Mit 9 Armen, 9 Beinen und 5 großen Herzen. Peter, Annette, Henry (Handicap Arm), Anne (sieht ohne Brille im Dunkeln keine Rettungsboote = Insiderwitz) und ich (Handicap Bein)!

Wir waren ein super Team, weil wir uns geholfen haben: ob es nun Board tragen, ablegen, Board festhalten, Lycra runterziehen, warten, anfeuern oder das gemeinsame Hochstecken der Holzkugel nach jeder gefahrenen Runde war – gemeinsam haben wir es gerockt! Wir sind Teil von etwas Großem geworden, von Casper Steinfaths Traum (er ist der Organisator sowie von Plastic Change und ihrer Arbeit für saubere Meere.
140 Paddler verteilt auf 32 Teams haben umgerechnet 10.000 ? erpaddelt und sind über 5.000 km gefahren.
PS: Im Namen des ganzen Teams möchte ich mich nochmals recht herzlich bedanken bei unserem Hauptsponsor (Rundengeld) Kafka & Hofer AXA-Generalagentur und bei Ralf Kötter von Werbewirbel (Aufkleber und Shirts). Danke an Casper Steinfath und sein Team, das sich perfekt organisiert und mit Herzblut über 24 Stunden um alle gekümmert hat, einfach an alle die dazu beigetragen haben!!!

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