StartAktiv im RolliEinsteigen, segeln, glücklich sein

Einsteigen, segeln, glücklich sein

Einer der ältesten Segelvereine Deutschlands geht neue Wege

Das Boot gleitet unter dem bunten Genaker forsch durchs Wasser, die aufkommende Bö beschleunigt das kleine Boot noch ein bisschen mehr, ohne dass es allzu „schief“ wird. Dabei lässt sich die Crew den Wind um die Nase wehen und genießt das Eins-sein mit der Natur. Hier ist kein Weg, der die Richtung vorgibt, sondern es geht frei und selbstbestimmt dem Ziel entgegen – kaum eine Sportart steht so für den Begriff „Freiheit“ wie das Segeln.

Jetzt ist speziell für Menschen mit Handicap ein ganz neues Segelboot entwickelt worden: die SV 14. Der Rumpf ist ganz „State of the Art“, die Aufbauten allerdings für den Segelsport ungewöhnlich, aber eben speziell für Menschen mit Handicap: Schalensitze, Fahrradlenker und elektronische Sitzverstellung. Dadurch eignet es sich für unterschiedliche Behinderungen genauso wie für ältere Menschen, die aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht mehr auf den üblichen Segelbooten zurechtkommen.

Einer der ältesten Segelvereine Deutschlands – der an der Hamburger Außenalster beheimatete Norddeutsche Regatta Verein (NRV) – geht jetzt mit der Anschaffung dieser Boote neue Wege: Der NRV will das inklusive Segeln in Deutschland nach vorne bringen. Nicht einfach so, sondern mit Hand und Fuß. Dafür haben der NRV-Vorsitzende Tobias König und Sven Jürgensen, der Inklusionsbeauftragte des Vereins, ein umfangreiches Konzept entwickelt, das vor allem eins in den Mittelpunkt stellt: die Menschen.

Gemeinsam mit sehr erfahrenen Paraseglern, den Olympiasiegern Heiko Kröger und Jens Kroker, entwickeln sie eigene Lehrkonzepte, die sie zusammen mit Kooperationspartnern Schritt für Schritt realisieren. Parallel dazu machen sie den Club barrierefrei und bauen einen komplett neuen Jugend- und Inklusionshafen.

„Wir haben mit der Außenalster eines der schönsten Segelstadien der Welt. Vor drei Jahren haben wir hier den Helga Cup – die weltweit größte Frauenregatta – initiiert. Wir haben die Frauensegelszene nachhaltig verändert und schon im zweiten Jahr wurden wir ein Top Ten Event der Stadt Hamburg. Jetzt haben wir die Bahnrad Olympiasiegerin Kristina Vogel als Schirmherrin gewonnen und festgestellt, dass wir dieselbe Power, die wir in das Frauensegeln gesteckt haben, unbedingt auch in den inklusiven Segelsport stecken müssen“, erzählt Sven Jürgensen, Motor des neuen Konzepts im NRV.

Segeln ist eine Sportart mit unheimlich viel Inklusionspotenzial

Segeln ist ein Zusammenspiel von Strategie, Schnelligkeit und Technik inmitten der Natur, umgesetzt von einem motivierten Team. Angesichts von „Wir, Boot, Wind und Wetter“ verliert sich an Bord der Einzelne im Team. Ausschlaggebend beim Segeln ist: Gemeinsam trainieren, zusammen Barrieren überwinden und sich auf Augenhöhe sportlich messen. Körperliche Geschicklichkeit ist nicht allein maßgeblich für den Erfolg. Das Begreifen der Natur, das Lesen des Windes und des Wassers, das Beherrschen der aerodynamischen Grundsätze sind ebenso wichtig wie das Lernen der Regatta-Regeln und die Umsetzung von Raumaufteilung und Taktik. Beim Segeln ist das Team am stärksten, welches diese diversen Potenziale perfekt ausschöpft. Hier können sich Jung und Alt, Menschen mit und ohne Handicap, schnelldenkende Mutige und nachhaltige Grübler perfekt ergänzen. Alle sitzen in einem Boot, alle erleben sich als vollwertige Mitglieder einer Mannschaft, alle haben ein gemeinsames Ziel.

In dieser Mixtur der Kompetenzen liegt das immense Inklusionspotenzial des Segelsports, das bislang allerdings sehr wenig genutzt wird. Dass dieser Weg kein leichter ist, hat NRV Vorsitzender Tobias König schon gelernt: „Wir wollen inklusives Segeln als Breiten- und Leistungssport etablieren und auf eine breite Basis bringen, um so auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden. Aber bis dahin müssen wir noch viele Schritte gehen, Barrieren überwinden und Akzeptanz schaffen. Das ist manchmal nicht einfach, aber wir sind auf einem sehr guten Weg.“

Drei Regatten will der NRV schon dieses Jahr inklusiv austragen – eine mixed, eine reine Frauenregatta und – als quasi Sahnehäubchen – die erste inklusive Weltmeisterschaft im Segeln überhaupt. Erste Segelneulinge sind auch schon dabei, zum Beispiel Schwimmstar Kirsten Bruhn, die zusammen mit dem NRV-Segler Volker Ernst beim Helgahard Cup .Inklusion – der ersten inklusiven Mixed-Regatta – auf der Alster an den Start gehen wird.

Foto: Sven Jürgensen

QuelleSina Wolf
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