StartLebenswegeMit Dysmelie auf die Karriereleiter

Mit Dysmelie auf die Karriereleiter

„Als Kind war für mich alles normal, ich kannte ja nichts anderes. Schlimmer hätte ich es gefunden, wenn die Behinderung später dazugekommen wäre, wie zum Beispiel nach einem Unfall. Da habe ich einige Leute kennengelernt, die das Schicksal nicht ertragen konnten. Daher dann lieber so.“

Mit Prothesen ins Leben gestartet

Philipp Jouaneix ist 35 Jahre alt und mit Dysmelie auf die Welt gekommen. Bei ihm zeigt sich die angeborene Fehlbildung an beiden Unterschenkeln. „Ab dem Knie sahen beide Unterschenkel anders aus. Als Kind hatte ich daher einige OPs, bei denen unter anderem meine Beine begradigt wurden. Seitdem ich neun Monate alt war, habe ich Prothesen getragen. Also schon mein ganzes Leben. Ich habe mit ihnen Laufen gelernt. Daher habe ich auch die technische Entwicklung auf dem Gebiet der Prothetik miterlebt.“ Bis vor Kurzem hat Philipp Alltagsprothesen getragen, mit denen er viele Jahre sogar Leistungssport betrieben hat.

Einstellungstest bei der Polizei

„Im Februar dieses Jahres hatte ich mich bei der Polizei beworben und die Tests mit den Alltagsprothesen bestritten. Am Ende hing es an 100 Metern. Nur 100 Meter, mehr nicht. Wenn man bedenkt, dass Menschen mit Fuß- oder Beinprothesen 70 % mehr Kraft aufbringen müssen als normale, dann hätte ich es also locker geschafft. Aber es reichte halt nicht. Danach habe ich angefangen, mich umzuschauen, ob es nicht doch noch andere Prothesenfüße gibt, die mich mehr unterstützen würden.“

Drei Männer in einer Orthopädie-Technik-Werkstatt. Mehr Know-how und neue Technik

Der Sportler recherchierte und wechselte dann nicht nur den Techniker, sondern verließ auch sein altes Sanitätshaus. Das Unternehmen APT hatte seine Aufmerksamkeit geweckt. „Auf der Website sah ich, dass sie sich auf Prothetik spezialisiert hatten und unheimlich viel Erfahrung mit Sportlern:innen hatten – vor allem mit den ganz großen. Deshalb beschloss ich, dass es auch die richtigen Techniker:innen für mich sein würden. Als ich vorstellig wurde, schlug mein Techniker Simon die Hände über dem Kopf zusammen. Ich war wohl mit Füßen versorgt, die noch nicht mal meiner Mobilitätsklasse entsprachen. Sie fragten, wie es möglich sei, dass ich dann noch solche Leistungen im Sport erbringen konnte. Ganz einfach: Ich lasse mich halt nicht bremsen – und wenn ich 120 % aufbringen muss, um 100 % geben zu können.“

 

Willensstärke durch Erziehung

Den Ehrgeiz hat der sportliche Mann der Erziehung seiner Eltern zu verdanken. „Die haben mich nie in Watte gepackt. Auch wenn mir die Beine wehtaten, hieß es: ‚Das tut uns sehr leid, aber Philipp, du musst trotzdem weiterlaufen!‘ Das war hart, aber hat mir viel gebracht!“ Dadurch hat der Verwaltungsangestellte gelernt, die Dinge durchzuziehen. „Früher in der Schulzeit hat man natürlich hier und da einen dummen Spruch bekommen. Aber man lernt durch die Prothesen, selbstbewusst zu sein. Ich habe die Kommentare dann belächelt oder überhört. In der Fußball-AG wurde ich anfangs natürlich immer als letzter in die Mannschaft gewählt. Aber dann irgendwann als einer der Ersten, weil ihnen klar war, was passiert, wenn ich ihnen gegen das Schienbein treten würde …“

„Das schaffen Sie eh nicht!“

Eine Herausforderung lässt jedes Mal von Neuem einen unbändigen Willen aufflammen, sie auf jeden Fall zu meistern. Koste es, was es wolle. „So auch bei dem ersten Einstellungstest bei der Bundespolizei. Als ich mich dafür interessierte, hieß es gleich, es macht keinen Sinn sich zu bewerben, mit Prothesen wäre dies nicht möglich. Genau diese Aussage hat natürlich eine unendliche Motivation in mir ausgelöst, es ihnen zu zeigen. Mit den neuen Füßen habe ich mich jetzt noch mal beworben! Der nächste Test wird im Januar oder Februar stattfinden. Dann wollen wir mal sehen, was geschieht!“

Cheetah Xplore von Össur macht den Unterschied

Im November 2022 wurde Philipp mit dem Cheetah Xplore versorgt. „Es ist ein Riesenunterschied! Als wenn ich vorher einen Eisenfuß getragen hätte! Jetzt wippe ich ständig, weil ich es endlich kann. Und ich kann gar nicht wieder aufhören, zu grinsen. Es geht sich jetzt so federleicht. Ich bin total begeistert von den Federn und richtig Össur-verliebt! An dem Tag habe ich zu meinem Techniker gesagt: ‚Weihnachten ist heute für mich!‘ Er bat mich, ich soll es doch bitte langsam angehen. Habe ich zur Kenntnis genommen – und bin zu Hause gleich erst mal vier Kilometer gelaufen. Was für ein enormer Unterschied das war! Ich habe meine Bestzeit um mehr als vier Minuten gesteigert“, erinnert sich der Burbacher lachend.
Sport war schon immer ein wichtiger Teil seines Lebens. Zwanzig Jahre lang war der Kampfsport seine Leidenschaft: Er wurde unter anderem zehnmal Deutscher Meister, sechsmal Europameister und viermal Weltmeister. „Ich wurde am Anfang sehr belächelt, weil mir natürlich keiner glaubte, dass ich das kann. Aber das änderte sich dann schnell.“

Eine Collage von Fotos. Ein lächelner Mann mit verschränkten Armen, zudem drei Fotos von einem Jungen im Kampfsportanzug.

Auf dem Weg zur Polizei

Sein neues Ziel ist eine Anstellung bei der Bundespolizei. Auf die Idee kam er während seiner Arbeit in der Kreisverwaltung. „Ich war bis März 2022 in der Polizeiverwaltung eingesetzt. Da hatte ich natürlich relativ viel mit den Polizisten zu tun. Ich realisierte, dass es genau mein Ding wäre. Wenn ich es schaffen würde, dann wäre das ein Präzedenzfall! Und das würde vielen Menschen mit Handicap die Tür öffnen. Warum auch nicht? Wenn wir doch imstande sind, das Gleiche zu leisten? Es ist doch dann egal, ob dabei jemand Prothesen trägt, oder nicht? Ich scheue diesen Kampf nicht. Erst recht nicht, wenn ich damit einige Menschen wachrütteln kann.“ Ein Satz, den Philipp schon oft gehört hat, ist: „Nein, das geht nicht. Das haben wir doch schon immer so gemacht.“ „Ich finde, dieser Satz gilt nicht mehr. Zeiten ändern sich – und die Technik auch. Heute sind wir doch in der Lage, so viel dank Technik auszugleichen! Und wenn jemand wie ich kommt, mit so viel Bock, und dann auch noch bereit ist, so viel mehr zu geben als andere – ist das dann nicht genau der richtige Mann?

„Ich fühle mich nicht behindert, weil ich alles machen kann, was ich möchte.“

Klar, mein Weg ist steinig. Er braucht viel Fleiß, Zeit und Training. Es ist harte Arbeit. Natürlich kann man auch ganz bequem in seiner Komfortzone sitzen bleiben. Aber das ist ja nicht mein Ziel. Ich will mehr!“

 

Weitere Infos zu dem Prothesenfuß Cheetah Xplore von Össur gibt es hier.

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