Ich kann mich noch genau an das Gefühl erinnern, das ich hatte, als ich in meinem Flugzeug nach Bangkok saß. Es war eine Mischung aus Schmetterlingen im Bauch und viel Aufregung angesichts des großen Unbekannten. Ich hab gefühlt, dass sich etwas verändern würde, aber ich wusste nicht genau, was.
Seitdem ich ein Teenager war, habe ich mich von Südostasien stark angezogen gefühlt. Ohne viele Bilder gesehen zu haben oder etwas über die Kultur zu wissen, hat mich diese Gegend wie ein Magnet angezogen. Als ich mein Filmproduktionsstudium abgeschlossen hatte, erschien mir für mein Vorhaben, für sieben Monate zu reisen, der perfekte Zeitpunkt zu sein. Ich habe meine Reise grob geplant, immer mit der Option zu verkürzen und zu verlängern.
Glücklicherweise habe ich noch eine neue wasserfeste Prothese von meiner Versicherung bekommen, denn ich wollte auf keinen Fall eine Ersatzprothese mitnehmen. Tatsächlich hatte ich keine Angst vor Schwierigkeiten, obwohl mir bewusst war, dass ich total auf mich allein gestellt wäre, sofern es zu Problemen mit meiner Prothese käme. Nachdem ich mich in der Vergangenheit oftmals in Situationen wiedergefunden hatte, in denen ich improvisieren musste, war ich daran gewöhnt.
Die Prothese war zum Glück kein Problem. Noch heute erinnere ich mich genau an die Ankunft und viele prägende Momente, z.B. wie ich ein Dorf im Norden von Laos besuchte und mir lauter Kinder nachliefen, weil sie noch nie im Leben eine Prothese gesehen hatten. Zu diesem Zeitpunkt trug ich eine kurze Hose; die Einheimischen waren total neugierig und ich versuchte, ihnen – weil sie kein Englisch konnten – mit Händen und Füßen zu erklären, dass ich von einem LKW überrollt wurde. So eine Reaktion habe ich zuvor noch nie erlebt.
Generell sind mir Einheimische und andere Reisende sehr positiv begegnet. Die meisten waren sehr interessiert an meiner Prothese im Gegensatz zu meiner Heimat, in der ich von Fremden meistens bemitleidet werde.
Bevor ich nach Asien geflogen bin, trug ich nie kurze Hosen, aber weil es so heiß war, habe ich es dann gewagt, weil ich nicht in meinen langen Hosen zerfließen wollte. Es hat sich sehr befreiend angefühlt, weil ich zuvor das Gefühl hatte, mich eher zu verstecken und mich vor bösen Blicken Fremder zu schützen – was mir mittlerweile egal ist.
In Asien habe ich so stark im Einklang mit meinem Körper gelebt wie nie zuvor und trotz des tropischen Klimas hatte ich nie Probleme mit meiner Prothese. Ich habe sehr auf die Bedürfnisse meines Körpers geachtet und konnte alle Aktivitäten schaffen, die ich mir vornahm. Ich war alleine in Thailand, Laos, Kambodscha, bis mich eine sehr gute Freundin in Vietnam besuchte. Dann war ich mit meinem Freund auf den Philippinen und zuletzt nochmals alleine zwei Monate in Indonesien.
Auf den Philippinen haben mein Freund und ich den Tauchschein gemacht und ich habe mich in die Unterwasserwelt verliebt und mich daraufhin in Indonesien an einem Umweltschutzprojekt beteiligt. Auf den Gili Islands habe ich ein künstliches Korallenriff, ein sogenanntes Biorock, gebaut.
Durch diese Reise habe ich ein komplett neues Lebensgefühl bekommen und bin sehr viel selbstbewusster geworden. Ich habe keine Angst oder schäme mich nicht, meine Prothese zu zeigen, wie es davor war.
Die Reise hat mein Weltbild erweitert und mir gezeigt, dass ich in einer sehr westlichen Blase lebe, dass ich sehr privilegiert bin, eine Prothese von der Versicherung zu bekommen, die für unsere Verhältnisse mittelmäßig ist, aber dort als Hightech-Produkt angesehen wird.
Die Menschen dort müssen in meiner Situation ihr gesamtes Vermögen dafür aufbringen, zumindest eine halbwegs passende Prothese zu bekommen, was mich sehr zum Nachdenken gebracht und auch sehr berührt hat, nachdem ich einer Frau am Markt in Laos begegnet bin, die nach einem Verkehrsunfall nur ein Bein hatte.
“ Durch diese Reise habe ich ein komplett neues Lebensgefühl bekommen…“