StartLebenswegeMein Studium mit Behinderung: Universität statt Werkstatt

Mein Studium mit Behinderung: Universität statt Werkstatt

Barrierefreie Universitäten?

Suchend blicke ich mich im Hörsaal um. Weit und breit kein anderer Mensch mit einer sichtbaren Behinderung. Tja, damit hatte ich natürlich schon gerechnet. Ich selbst habe Dysmelie. Die Uni hat aber eine Behindertenvertretung und bemüht sich auch um möglichst barrierearme Zugangsmöglichkeiten zu den einzelnen Gebäuden.

Werkstätten für Menschen mit Behinderungen

Jedoch werden viele geistig und körperlich behinderte Menschen zu Beginn ihrer Karriere schlichtweg in Werkstattlaufbahnen gelenkt. Und diese – wie sollte es auch anders sein –sehen Studieren nun mal einfach nicht vor: Das sollten andere übernehmen. In Zahlen übersetzt bedeutet dies eine enorme Summe von etwa 320 000 Werkstattbeschäftigten in Deutschland.

Ein mieser Stundenlohn

Das mag von einigen als Chance gesehen werden. Doch für mich klingt ein Stundenlohn von ca. 1,50 Euro – gelinde gesagt – eher nach einem schlechten Witz als nach einer Lösung oder gar Verbesserung der Situation für Behinderte. Offensichtlich, wer hier profitiert – und wer nicht.

Oder vielleicht doch Handwerkerin?

Doch durch meine sehr privilegierte Position und meinen sozialen Background aus einem akademischen Elternhaus habe ich mich für eine universitäre Laufbahn entscheiden können. Von einer Karriere als Handwerkerin wurde mir zwangsläufig relativ früh abgeraten, und technisch begabt war ich zugegebenermaßen auch noch nie. Somit zählte die temporäre Sandburg am Timmendorfer Strand wohl zu meiner persönlichen Bestleistung im Bauwesen. Aber – ohne zu übertreiben – sie war wirklich unverbesserlich!

Die finale Wahl des Studiengangs

Meine endgültige Wahl nach einem völlig planlosen Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) in einer psychiatrischen Einrichtung fiel dann jedoch auf – wer hätte es gedacht? – Psychologie. Eine Mischung aus Mathe, langen wissenschaftlichen Texten und einer Prise sozialem Einsatz. Oder so ähnlich. Denn in dem sogenannten Gap Year wurde meine Behinderung zum ersten Mal als Stärke wahrgenommen. Das tat so gut! Mir wurden aufgrund der fehlenden Hand eine besondere Empathie und auch eine gewisse Resilienz zugesprochen. Und ich war stolz.

Wichtige Startvoraussetzungen

Aufgrund der Tatsache, dass ich lange Zeit in meiner Kindheit das Gefühl hatte, andere mit meinen schulischen Leistungen von meiner Gleichwertigkeit überzeugen zu müssen, die mir teilweise aufgrund meiner Behinderung abgesprochen wurde, hatte ich ein sehr gutes Abitur. Eine gute Startvoraussetzung also für diesen lernintensiven Studiengang.

Ein Schreibtisch vor einem Fenster mit Ausblick. Auf dem Schreibtisch stehen ein Laptop, eine Thermoskanne und es liegt ein Handy.

Anfängliche Zweifel

Und doch plagten mich vor allem zu Beginn im coronabedingten Online-Semester Zweifel, ob ich mir da nicht vielleicht zu viel vorgenommen hatte. Immer wieder hatte ich das Gefühl, nicht gut genug zu sein und dass es die anderen viel leichter hätten. Der Notendruck in Kombination mit der häuslichen Isolation war dann tatsächlich sehr nervenaufreibend.

Zukunftspläne werden geschmiedet

Doch was soll ich sagen? Nun sitze ich in meinem Auslandssemester auf Mallorca in einem schnuckeligen kleinen Café in Palma und schreibe diesen Text. Dabei schlürfe ich einen Milchkaffee und lasse mir die Sonne auf den Pelz scheinen. Im Januar (hehe). Und ich denke daran, dass ich in einem Jahr mein Studium abschließen werde – nageln Sie mich bitte nicht auf ein Datum fest –, und dann, naja: mal sehen.

Anzeige
Anzeige

BELIEBTE BEITRÄGE