StartLeben mit Multiple SkleroseAlternative Behandlungsmethodik bei akuten MS-Schüben

Alternative Behandlungsmethodik bei akuten MS-Schüben

In einer Beobachtungsstudie zur Evaluation der Wirksamkeit von Immunadsorption (IA) im Vergleich zu Methylprednisolon bei Patient:innen mit steroidrefraktären akuten Schüben der MS konnten günstige Ergebnisse für die IA im Vergleich zur doppelten Dosis Methylprednisolon gezeigt werden.

Stillstand bei Weiterentwicklung von Behandlungsansätzen

Während die immunmodulatorischen Langzeittherapien für MS bedeutende Fortschritte erfahren haben, ist der Behandlungsansatz für akute MS-Schübe in den letzten Jahren weitgehend unverändert geblieben. Als Standardbehandlung wird die Verabreichung von hochdosiertem intravenösen Methylprednisolon mit bis zu 1000 mg täglich an drei bis fünf aufeinanderfolgenden Tagen empfohlen. Für die Mehrzahl der Patient:innen führt diese Behandlung zu einer Linderung der Symptome, allerdings sprechen etwa 25 % der Patient:innen unzureichend auf den ersten Zyklus Methylprednisolon an, sodass aktuelle Leitlinien einen zweiten Zyklus mit einer doppelten Dosis von bis zu 2000 mg täglich an drei bis fünf aufeinanderfolgenden Tagen empfehlen. Erst dann sollten bei fehlendem Ansprechen Plasmaaustauschverfahren zur Anwendung kommen.

Im Labor, eine Frau ist von hinten zu sehen.

Immunadsorption als Alternative

Hier ist als alternative Behandlungsmethode die IA zu nennen – eine Therapeutische Apherese. Dies ist ein Verfahren, das aus Blut oder Blutplasma gezielt Blutbestandteile oder krankheitsverursachende Stoffe beseitigt, um Immunglobuline zu entfernen. In zwei prospektiven und mehreren retrospektiven Studien konnten Ansprechraten zwischen 50 und 86 % bei Patient:innen mit klinisch isoliertem Syndrom (KIS) oder schubförmiger MS (RMS) gezeigt werden. Diese hatten zuvor unzureichend auf eine Behandlung mit Methylprednisolon angesprochen.

Unterschiedliche Wirkmechanismen

Die Apherese-Behandlung ist jedoch aufgrund der Notwendigkeit eines zentralen Venenkatheters invasiv, wobei inzwischen auch sehr gute Erfahrungen mit einem großlumigen peripheren Venenkatheter gemacht wurden – und sie ist teurer als eine Methylprednisolon-Behandlung. Auch die Wirkmechanismen unterscheiden sich: Die Methylprednisolon-Behandlung zielt fast ausschließlich auf T-Zellen ab, IA hingegen dient der Entfernung der löslichen Immunglobuline. „Bisher fehlte es an wegweisenden Vergleichsstudien, die die Wirksamkeiten einer Apherese-Behandlung und eines zweiten Zyklus Methylprednisolon in doppelter Dosierung gegenüberstellen und damit eine Basis für die Konkretisierung (Erweiterung) der bisherigen Behandlungsleitlinien bieten“, erläutert Prof. Dr. Heinz Wiendl, Direktor der Neurologie des Universitätsklinikums Münster, Sprecher des KKNMS-Vorstands und Vorstandsmitglied im Ärztlichen Beirat der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG), Bundesverband e. V.

Pfeuffer und Kolleg:innen haben jetzt die Daten einer prospektiven klinischen Studie veröffentlicht, die innerhalb eines Kooperationsprojektes der Universitätskliniken in Münster und Düsseldorf erhoben wurden.

Neue Studienergebnisse

Patient:innen mit einer steroidrefraktären akuten MS wurden entweder mit einem sechsfachen Zyklus Tryptophan-IA oder mit einem zweiten Zyklus Methylprednisolon in doppelter Dosis behandelt. Darüber hinaus wurden umfangreiche Analysen zellulärer und löslicher Faktoren im peripheren Blut durchgeführt, um die Auswirkungen beider Behandlungen auf das Immunsystem zu untersuchen. Die Daten der Studie mit 42 Patient:innen zeigen, dass sich die Tryptophan-IA (n = 16) im Vergleich zu einem erneuten, höher dosierten Methylprednisolon-Puls (n = 26) vorteilhaft auswirkt und ein Benefit für die Patient:innen bezüglich der klinischen Funktionswerte, gesundheitsbezogenen Quality-of-Life-(QoL-)Bewertungen und Serum-NfL-Werte besteht – und zwar nicht nur direkt nach der Behandlung, sondern auch bei der Folgeuntersuchung nach drei Monaten. Durchflusszytometrie-Messungen ergaben eine tiefgreifende Verringerung der B-Zell-Untergruppen nach der IA, die eng mit den klinischen Ergebnissen korrelierte.

Immunadsorption hat sich bewährt

„Angesichts dieser Ergebnisse ist zu überlegen, ob bei steroidrefraktären MS-Schüben mit alltagsrelevantem Defizit statt der bisher propagierten erneuten Steroidtherapie nicht direkt eine IA angeschlossen wird“, so Prof. Dr. Ralf Gold, Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Bochum, Vorstandsmitglied des KKNMS und Vorsitzender des Ärztlichen Beirats des DMSG-Bundesverbandes, der sich schon seit Jahren mit der Wirkung von Plasmaaustauschverfahren bei neuroimmunologischen Erkrankungen beschäftigt. Die Ergebnisse der Studie könnten somit Einfluss auf die Leitlinien zur Eskalationstherapie des akuten MS-Schubes haben.

 

Quellen: [1] Pfeuffer, S., Rolfes, L., Wirth, T. et al. Immunoadsorption versus double-dose methylprednisolone in refractory multiple sclerosis relapses. J Neuroinflammation 19, 220 (2022). https://doi.org/10.1186/s12974-022-02583-y

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