In unserer Rubrik Barrierefreie Köpfe kommt in dieser Ausgabe ein Mann zu Wort, der nicht nur Schauspieler ist, sondern auch Regisseur, Drehbuchautor und Sänger – Florian David Fitz, 1974 in München geboren.
1996 begann Florian David Fitz seine Schauspielkarriere am Theater, nachdem er eine Ausbildung in Schauspiel und Gesang in Boston, Massachusetts, absolviert hat. Seit 1999 ist dieser äußerst wandelbare und überaus erfolgreiche Künstler aus der deutschen Filmlandschaft nicht mehr wegzudenken. Die Liste seiner Filmografie ist lang. Der jüngeren Leserschaft ist er vielleicht als fieser, aber anziehender Oberarzt Dr. Marc Meier aus der Serie „Doctor’s Diary“ (2008 – 2011) bekannt.
In unserer letzten Ausgabe haben wir Ihnen den Film „Hin und weg“ (2014) vorgestellt. Er spielte den an der Nervenkrankheit ALS erkrankten Hannes, der in Belgien aktive Sterbehilfe in Anspruch nimmt.
Aber auch Florian David Fitz fällt nicht immer alles in den Schoß. Für seine Rolle in „Männerherzen“ musste er ganze acht Mal vorsprechen, bis er sie endlich bekam. Neben der Schauspielerei singt er auch noch (u.a. den Titelsong zum Disneyfilm „Tiggers großes Abenteuer“), spielt Klavier und Saxophon. Außerdem spricht er vier Sprachen fließend.
Wir bedanken uns herzlich bei Herrn Fitz, dass er sich die Zeit genommen hat, unsere Fragen zu beantworten.
2010 spielte er im Roadmovie „Vincent will Meer“ den am Tourette-Syndrom leidenden Vincent. Dessen Vater, ein ehrgeiziger Lokalpolitiker, der sich nur für seinen guten Ruf interessiert, hat Vincent in einer Klinik untergebracht. Bis Vincent mit der magersüchtigen Marie und seinem zwangsneurotischen Zimmergenossen Alexander abhaut, um das Leben draußen fernab jeder klinischen Kontrolle zu meistern.
Für diese großartige schauspielerische Leistung erhielt Florian David Fitz dafür u.a. 2010 den Bambi in der Kategorie „Schauspieler national“ sowie 2011 den Deutschen Filmpreis in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller“.
War dieser ohne Zweifel sensible, tiefsinnige, mal lustige, mal melancholische Film der Anlass, sich seitdem als Schirmherr für den Interessenverband Tic & Tourette-Syndrom e.V. (IVTS) zu engagieren?
Natürlich, klar. Man muss dazu sagen, dass ich mich jetzt nicht heldenmäßig engagiere. Ich kann halt nur ein bisschen Aufmerksamkeit kreieren. Ich glaube aber, der Film hat dazu mehr beigetragen, als ich es jetzt könnte. Er stellt die Krankheit nicht ins Zentrum und trotzdem hat er den Effekt, dass für jemanden, der ihn gesehen hat, Tourette etwas vertrauter erscheint. Es geht ja nicht um Mitleid. Ein wenig mehr Normalität hilft oft viel besser.
Sie engagieren sich auch als Schirmherr des Sozialverbandes „AH-TA e.V.“, der sich auf Einzelfallhilfe bei aus Krankheit resultierenden Problemen (vorrangig bei Kindern) spezialisiert hat und unterstützen diesen u.a. durch Auftritte bei Benefizveranstaltungen wie AH-TA’s Mitanand 2012, bei dem Sie Ihren Comedy-Preis zur Versteigerung spendeten. Inwieweit nützt Ihnen Ihre Popularität, um Gutes zu tun?
Wie gesagt, ich glaube, das hat Grenzen. Man wird von vielen Seiten gefragt, ob man nicht etwas zu zweifellos guten Sachen beitragen kann. Aber irgendwann wird das zu diesem logischen Promi-Benefiz, der dann auch wieder keinen interessiert. Man muss da ein bisschen kurz treten. Damit hilft man mehr.
Sie haben schon in einigen Filmen Menschen mit Handicap gespielt. Wie kommt es, dass Sie ausgerechnet solche Rollen für sich entdeckt haben? Benötigen diese nicht viel mehr Vorbereitungszeit (z.B. um die Behinderung authentisch spielen zu können)?
Die Handicaps sind ja nur Bilder. In den meisten Geschichten haben Menschen Handicaps. Ob innen oder außen. Die äußeren brauchen halt eine Art von anderer Körperlichkeit, das fällt natürlich mehr auf. Dann sagt man: wow, der hat sich aber verändert, das ist ja ein richtiger Schauspieler. (lacht)
Als Kind trugen Sie aufgrund mangelnder räumlicher Wahrnehmung eine Brille, wobei ein Auge zugeklebt wurde. Laut Ihrer Vita sahen Sie „jetzt vollständig behindert aus“ und blieben an Baugerüsten, parkenden Autos oder Laternenpfählen hängen, was die Sache nicht besser machte. Wie sehr litten Sie unter dieser Beeinträchtigung? Und wie verhielt sich Ihr Umfeld? Kinder mit Handicap – ähnlich wie betroffene Erwachsene – machen sehr unterschiedliche Erfahrungen. „Brillenschlange“ ist da noch eher das harmlosere Wort…
Ach, jetzt ehrlich? Ich hab das damals eher als störend wahrgenommen, weil das Augenpflaster gejuckt hat und die Brille gerutscht ist. Es war vielleicht noch zu früh für Ausgrenzung. Aber Kinder suchen sich jede Schwäche im anderen, die kann gar nicht zu blöd sein. Alles, was anders ist, zu groß, zu klein, blöde Stimme, Überbiss, rote Haare, ist ein Aufhänger für Hänseleien. Die Erfahrung, ausgegrenzt zu sein, verbindet doch die meisten Menschen. Leider ziehen wir daraus nicht immer den richtigen Schluss. Manchmal folgt man einem doofen menschlichen Instinkt und leitet den Frust einfach auf das nächste Wesen ab, das Angriffsfläche bietet. Der Mensch ist halt ein zwiespältiges Wesen.
Meine Nichte ist auf der Montessorischule und eine Sache fällt mir extrem auf. Dadurch, dass das eine integrative Schule ist, ist sie viel hilfsbereiter und sozialer, als wir es früher waren. Das ist ziemlich klasse.
Sie selbst haben sich anfangs trotz vierjähriger Ausbildung nicht gern als Schauspieler betitelt. Mit Ihrer Tutorin Helga Engel (Dozentin der Otto – Falckenberg – Schule) haben Sie „eine wundervolle und schmerzhafte Reise durch die Theaterliteratur“ gemacht. Und dabei Ihr Handwerk erst richtig gelernt. Sich Hilfe zu holen, anzunehmen, wenn man sie braucht – oftmals keine einfache Entscheidung für Menschen, die aber durch eine Krankheit oder Erwerb einem Handicap dazu gezwungen sind. Was würden Sie ihnen mit auf den Weg in ein neues, ein anderes Leben geben?
Schauen Sie, irgendwann brauchen wir alle Hilfe. Und wenn wir Glück haben, gewährt sie uns jemand. Und wenn wir noch mehr Glück haben, bekommt der Helfende dadurch auch etwas zurück.
Haben Sie ein Lebensmotto?
Anständig leben. Im doppelten Wortsinne.