In den Fahrschulen von PARAVAN im Mobilitätspark Aichelau und in der Niederlassung Heidelberg wird Menschen mit Handicap die Möglichkeit geboten, ihre Führerscheinausbildung zu absolvieren. Ein vielfältiger Fuhrpark mit flexibel anpassbaren Fahrzeugen ermöglicht es, individuelle Bedürfnisse zu berücksichtigen. So kann beispielsweise Marina, die lediglich 85 Zentimeter groß ist, entspannt ihre praktische Fahrausbildung mithilfe von zwei Joysticks durchführen.
Maßgeschneiderte Schulungsfahrzeuge für individuelle Bedürfnisse
Marina nutzt das Fahr- und Lenksystem Space Drive sowie zwei individuell platzierte Joysticks für Gas, Bremse und Lenkung. Die Flexibilität der Schulungsfahrzeuge ermöglicht es, verschiedene Fahrzeugkonfigurationen anzupassen, sodass alle Fahrschüler:innen eine optimale Ausbildung erhalten. Dabei spielt die Anpassung an körperliche Einschränkungen eine zentrale Rolle, wie bei Marina, deren kurze Arme und geringe Muskelkraft ein klassisches Lenkrad ausschließen. Seit rund drei Wochen absolviert Marina ihre praktische Fahrausbildung bei PARAVAN in Aichelau. Die ersten Fahrten führten sie rund um Aichelau, und sie berichtet: „Es geht schon ganz gut, aber es ist anspruchsvoller als gedacht.“ Ihr Fahr- und Lenksystem ermöglicht es ihr, den Joystick effektiv zu nutzen und die Sekundärfunktionen des Fahrzeugs über Sprachsteuerung zu bedienen. Fahrlehrer Ralf Buhmann ermutigt sie und betont die Fortschritte: „Navigieren mit dem Joystick geht schon ganz gut. Jetzt muss noch die Geschwindigkeit kommen und die Sicherheit.“ „Für mich ist das Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung, die ich hier erlebe. Es ist noch einmal eine ganz andere Perspektive vom Fahrersitz, und es macht so viel Spaß“, so Marina, die demnächst alleine mit dem Auto zur Arbeit fahren möchte.
Wiedergewinnung der Mobilität nach Erkrankung oder Unfall
Die theoretische Fahrausbildung von Marina fand in ihrer Heimatstadt statt. Neben Fahranfangenden finden auch Wiedereinsteigende den Weg zu den PARAVAN-Fahrschulen. Menschen, die im Verlauf ihres Lebens erkrankt sind oder einen Unfall erlitten haben, können unter bestimmten Bedingungen mit Auflagen, die im verkehrsmedizinischen Gutachten vermerkt sind, ihren Führerschein zurückgewinnen. „Wichtig ist, den Führerschein nicht gleich abzugeben“, betont Fahrlehrer Ralf Buhmann. „Nach einem Unfall oder Erkrankung sollte man erst einmal Kontakt mit einem:einer Verkehrsmediziner:in suchen und sich beraten lassen.“ Das Gutachten legt die Voraussetzungen für die Fahrausbildung fest und bescheinigt die Fahrtüchtigkeit unter bestimmten technischen Voraussetzungen. Danach kann die Ausbildung beginnen. Ein technisches Gutachten bestätigt die Funktionalität und den korrekten Umgang mit den erforderlichen Anpassungen.
Hoch spezialisierte Fahrausbildung mit flexiblen Fahrzeugumbauten
Die PARAVAN-Fahrschule am Stammsitz verfügt insgesamt über fünf Fahrzeuge: zwei Mercedes Sprinter und einen PEUGEOT Traveller, alle ausgestattet mit dem Fahr- und Lenksystem Space Drive sowie verschiedenen elektromechanischen Handgeräten und einer sogenannten „leichten Lenkung von 10 bzw. 6 Newton (N)“ für den Fall, dass die Kräfte nachlassen, jedoch der Umstieg auf den Joystick noch nicht erforderlich ist. Für Fahrschüler:innen, die noch umsetzen können, stehen zudem zwei weitere Ausbildungsfahrzeuge zur Verfügung, ausgestattet unter anderem mit elektrischen Rutschbrettern sowie elektromechanischen Fahr- und Lenkhilfen. Ein weiterer Fahrlehrer, Carsten Seidler, leitet die Fahrschule in der PARAVAN-Niederlassung Heidelberg. Auch dort ist eine hoch spezialisierte Fahrausbildung mit den notwendigen Kraftmessungen im Vorfeld sowie Space Drive und verschiedenen Eingabegeräten möglich.
Das A und O: Die Fahrlehrenden
Die speziell geschulten Fahrlehrenden von PARAVAN können in Verbindung mit dem passenden Schulungsfahrzeug Menschen mit körperlichen Einschränkungen ausbilden. Sie bieten Beratung und Schulungen an und suchen derzeit auch nach neuen Kollegen:innen. „Man benötigt viel Geduld und Verständnis. Das ist das Wichtigste“, betont Buhmann. Doch die Begeisterung der Schüler:innen für die Ausbildung ist einzigartig und nicht mit einer normalen Fahrschule zu vergleichen. „Die Aussicht der Fahrschüler:innen, nach erfolgreich abgelegter Fahrprüfung wieder unabhängig von anderen am Leben teilzuhaben, ist die größte Motivation. Für den:die Fahrlehrer:in ist der größte Lohn, nach der Prüfung in die glücklichen Gesichter zu schauen. Denn die Fähigkeit, selbstständig ein Fahrzeug zu steuern, bedeutet am Ende ein deutliches Plus an Lebensqualität.“
Es gibt zahlreiche Geschichten, an die sich die Kollegen:innen erinnern, die ihre Arbeit bestätigen, wie zum Beispiel die eines Arbeiters, der beim Baumschneiden von der Leiter fiel und seitdem querschnittgelähmt ist: „Als wir zusammen sein neues Auto getestet haben, ist er irgendwann rechts rangefahren und hat geweint. Nein, er hat Rotz und Wasser geheult – vor Glück“, berichtet Fahrlehrer Horst Hilsenbeck. Das ist nur eine von vielen Geschichten, doch neben ihrem eigentlichen Job als Fahrlehrende sind die Fachleute in Aichelau auch Test- und Entwicklungsfahrende. Dies geschieht beispielsweise im Rahmen der Weiterentwicklung und optimalen Anpassung des digitalen Fahr- und Lenksystems.
Fünf Meilensteine zum Führerschein für Menschen mit Handicap
1. Meilenstein: Verkehrsmedizinische Begutachtung
Die Fahrausbildung bei PARAVAN beginnt mit einer verkehrsmedizinischen Begutachtung, bei der durch eine:n spezialisierte:n Arzt:in die kognitiven Fähigkeiten geprüft werden.
2. Meilenstein: Spezialisierte Fahrschule
Nach erfolgreicher Begutachtung erfolgt die Suche nach einer spezialisierten Fahrschule mit modifizierten Fahrzeugen. Es wird geprüft, welche Hilfsmittel benötigt werden.
3. Meilenstein: Technisches Gutachten
Ein technisches Gutachten bildet die Grundlage für den behindertengerechten Fahrzeugumbau beim Umrüster.
4. Meilenstein: Fahrschulausbildung/Fahreignungsprüfung
Die Fahrausbildung wird mit der Fahreignungsprüfung bzw. der praktischen Fahrprüfung abgeschlossen.
5. Meilenstein: Führerschein
Nach erfolgreicher Prüfung wird der Führerschein ausgehändigt, und es erfolgt die Auswahl eines geeigneten Grundfahrzeugs. Je nach Fall können Anträge auf Kostenübernahme für den Fahrzeugumbau gestellt werden.
Weitere Information dazu finden Sie auch auf paravan.de
