StartAmputation & ProthetikMit Prothese in den Ring

Mit Prothese in den Ring

Einen Prothesenträger, der Mixed Martial Arts (gemischte Kampfkünste, kurz MMA) betreibt, sieht man selten. Setzt sich jemand mit einer körperlichen Einschränkung beim Kampfsport mit Vollkontakt nicht dem Risiko aus, weitere Verletzungen davonzutragen? Für viele ist das irritierend. Diejenigen, die es ausprobieren, sind jedoch begeistert, wie Yasmin Uygun berichtet. Die Kampfsportlerin möchte, dass möglichst viele diese bereichernde sportliche Erfahrung machen können und hat daher ein ungewöhnliches wie spannendes Projekt ins Leben gerufen: BYOH (kurz für „Be Your Own Hero“). Es tourt zusammen mit GMC durch Deutschland und möchte möglichst vielen Interessierten mit Handicap die Faszination des Kampfsports nahebringen.

Porträt der Initiatorin von BYOH, Yasmin Uygun
Die Initiatorin von BYOH, Yasmin Uygun

Die Initiatorin: Yasmin Uygun

Alter : 35 Jahre
Wohnort : Lünen (NRW)
Beruf: Krankenpflegerin (Intensivstation)
Sportarten: Laufen und Boxen
Projekt: Kampfsport mit Prothesenträgern und körperlich Eingeschränkten, Motto: BE YOUR OWN HERO – Hier sind die wahren Kämpfer

 

BYOH — DIE TOUR: 1. STOPP IN HAMBURG

Am 02.02. startete die Eventreihe in Hamburg. Barrierefrei-Redakteur Kevin Lange war vor Ort und wurde auch gleich in Beschlag genommen. Rechts, links, rechts – für Kevin kein Problem, kamen ihm doch seine früheren Kickbox-Erfahrungen zu Gute. Alle hatten viel Spaß und genügend Zeit, sich unter professioneller Anleitung mal richtig auszupowern. Zwischendurch war auch Zeit für ein Interview.

Wie bist du persönlich zum Kampfsport gekommen? Gab es einen bestimmten Auslöser? Und was fasziniert dich an diesen Sportarten?

Kampfsport hat mich schon immer fasziniert, aber in einen richtigen Boxclub habe ich mich lange Zeit nicht getraut. Erst, als mir eine Freundin den Recover Fight Club in Essen empfahl, kam ich zu meinem ersten Training. Ich suchte einen Ausgleich zum Laufen und brauchte etwas, das mich so richtig auspowert! Und das ist es auch, was mich am Boxen fasziniert: die Power, die Technik, dass man danach total fertig ist, sich aber trotzdem gut fühlt, so ausgeglichen und frei. Und man entdeckt dabei neue Seiten an sich, Emotionen, die man vorher nie hatte.

Nun sind Mixed Martial Arts nicht gerade das sportliche Betätigungsfeld, das man gemeinhin Menschen mit Handicap empfiehlt. Wie bist du auf die Idee zu diesem ungewöhnlichen Projekt gekommen? Gab es ein Schlüsselerlebnis?

Ich habe ein Video bei Instagram gesehen, in dem ein Boxer mit Handicap trainierte. Ich war hin und weg von seiner Körperhaltung, seiner Technik – einfach klasse! Danach fragte ich mich, warum es eigentlich nicht mehr Leute mit Handicap gibt, die das machen oder im Kampfsport gefördert werden. Ich blieb an dem Thema dran und so entstand langsam die Idee zu dem Projekt BYOH.

Gruppenbild mehrerer Kampfsportler mit und ohne Prothesen im Boxstudio
Mit vollem Körpereinsatz dabei: die Kampfsportler von BYOH
Was ist dein Antrieb für BYOH? Was möchtest du damit erreichen?

Ich möchte so viele wie möglich informieren und sie zum Kampfsport animieren! Wir wollen sie dabei unterstützen, den ersten Schritt zu wagen. Alle Boxinteressierten mit Handicap sollen wissen, dass sie nicht allein sind und sie herzlich willkommen im Kampfsport sind. Wer möchte, kann bei uns eine andere Welt des sportlichen Trainings erfahren und neue Grenzen testen.

Wie können denn Interessierte bei einem Training mitmachen? Wo können sie sich anmelden?

Im Regelfall schreiben die Probanden eine E-Mail, dass sie Interesse an einem Training mit mir haben. Ist der Kontakt hergestellt, stimmen wir gemeinsam anhand des GMC (German MMA Championship) Tour-Kalenders einen Termin ab, da das Training immer im Vorfeld der abendlichen Kampfsportveranstaltung in der jeweiligen Stadt praktiziert wird. Aber auch Termine außerhalb der Tour sind natürlich möglich.

Besteht die Möglichkeit, mit jeder Art von Behinderung an dem Training teilzunehmen?

Prinzipiell ist es für jeden möglich, an diesem Training teilzunehmen. Sie dürfen natürlich keine gravierenden Probleme mit der Herz-Kreislauf-Funktion haben. Insbesondere die Vitalwerte müssen so stabil sein, dass wir das Training risikofrei absolvieren können. Aber unser Anliegen ist es immer, so gut es geht jeden zu fördern und die Möglichkeit zu geben, in den Bereich Kampfsport reinzuschnuppern.

Wenn ich nun das Probetraining gemacht habe und Feuer und Flamme für den Kampfsport bin, wie und wo kann ich dann weitermachen?

Wenn Interesse besteht, mit dem Kampfsport weiter-zumachen, nimmt der ambitionierte Sportler Kontakt mit mir auf und wir versuchen, in seiner Stadt ein passendes Gym zu finden. Bei Bedarf fahren wir auch dort hin und schauen uns gemeinsam das Gym bzw. Training an.

Unser Reporter Kevin kämpft sich durch
Gibt es seitens der Versicherung Einschränkungen, z. B. bei Reparaturen der Prothese?

Nein, das gibt es nicht. Sollte die Prothese im Rahmen des Trainings zu Schaden kommen, greift die Versicherung ohne Einschränkungen.

Wie funktioniert denn Inklusion im Kampfsport? Kennst du jemanden mit Handicap, der sein sportliches Hobby zum Beruf gemacht hat?

Ja klar, das ist durchaus möglich! Sollte diese Sportart dich überzeugt haben, ist dein Erfolg nur davon abhängig, wie sehr du dich engagierst und Gas gibst. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist Senaid Salkicevic. Er ist ein sehr erfolgreicher Kampfsportler und Trainer, der mittlerweile seinen eigenen Club leitet. Er zeigt, dass Kampfsport mit Prothese machbar ist.

Und möchtest du noch auf etwas hinweisen?

Oh ja! Ein dickes Dankeschön an Deniz Haciab-durrahmanoglu und sein Team für die Möglichkeit und das spektakuläre Event in Hamburg und natürlich an das Tough Gym für das intensive tolle Training!

MIXED MARTIAL ARTS …

… auf Deutsch „Gemischte Kampfkünste“, kurz MMA, ist eine moderne Art des Vollkontaktwettkampfes. Dabei werden Techniken aus verschiedenen Kampfsportarten verwendet, wie (Kick)Boxen, Taekwondo, Muay Thai, Karate, Brazilian Jiu-Jitsu, Ringen, Judo und andere. Mixed Martial Arts ist eine der am schnellsten wachsenden Sportarten der Welt.

BYOH — DAS PROJEKT

An den insgesamt 6 BYOH-Tour-Terminen in unterschiedlichen Städten bieten Profis ein kostenloses Training für Interessierte an. Den Start machte vor wenigen Wochen das Studio Tough Gym in Hamburg. Nach einer intensiven Trainingseinheit mit Trainer Human Nik am Morgen ging es abends zum Wettkampf des German MMA Championship in die Edel-Optics-Arena. Von der Atmosphäre, dem Training und den Treffen mit den Kämpfern waren die Teilnehmer begeistert.

 

Weitere Infos zum Projekt und den Tour-Terminen finden Sie hier:

www.facebook.com/byoh.kampfsport/
www.instagram.com/byoh.kampfsport/

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