Trotz intensiver wissenschaftlicher Bemühungen sind die genauen Ursachen sowie gezielte Behandlungsansätze für das Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) nach wie vor nicht vollständig geklärt. Doch jüngste Forschungsergebnisse der Medizinischen Universität Wien geben Anlass zur Hoffnung: Wissenschaftler:innen haben potenzielle Biomarker identifiziert, die eine präzisere Diagnosestellung und möglicherweise neue Therapieoptionen ermöglichen könnten.
Wichtige Erkenntnisse aus aktuellen Studien
Unterschiede im Immunsystem:
Forschende der MedUni Wien haben herausgefunden, dass sich ME/CFS-Patienten:innen anhand immunologischer Merkmale in verschiedene Gruppen einteilen lassen. Während einige Betroffene an einer Immunschwäche leiden, zeigen andere mit funktionierendem Immunsystem eine eingeschränkte Darmbarriere. Diese Unterschiede lassen sich durch spezifische Marker im Blut identifizieren und könnten entscheidend für zukünftige personalisierte Therapieansätze sein.
Veränderte Blutgefäßreaktionen:
An der Charité in Berlin wurde entdeckt, dass die Blutgefäße von ME/CFS-Patienten:innen weniger elastisch auf Druckschwankungen reagieren als die von gesunden Menschen. Dies könnte erklären, warum die Durchblutung in Muskeln und Gehirn unter Belastung nicht optimal angepasst wird – ein möglicher Grund für die starke Erschöpfung und kognitiven Beeinträchtigungen.
Mitochondriale Dysfunktion:
Eine Untersuchung der Universität Würzburg legt nahe, dass im Blutserum von ME/CFS-Patienten:innen Substanzen enthalten sind, die die Mitochondrien – die Energielieferanten der Zellen – in ihrer Funktion beeinträchtigen. Dies könnte erklären, warum Betroffene unter chronischer Erschöpfung leiden und ihre Zellen nicht ausreichend Energie bereitstellen können.
Autoimmunreaktionen als mögliche Auslöser:
Neueste Studien zeigen, dass ME/CFS mit Autoimmunreaktionen in Verbindung stehen könnte. Besonders die Bildung von Autoantikörpern scheint eine Rolle zu spielen. Eine Reduzierung dieser Antikörper könnte somit eine vielversprechende therapeutische Strategie darstellen.
Verbindungen zu Post-COVID-19:
Wissenschaftler:innen fanden heraus, dass ME/CFS und das Post-COVID-19-Syndrom Gemeinsamkeiten aufweisen. Besonders auffällig ist eine gestörte Steuerung der Blutgefäße, die zu chronischer Erschöpfung und Kreislaufproblemen führen könnte. Diese Erkenntnis könnte zur Entwicklung neuer Behandlungsansätze für beide Erkrankungen beitragen.
Miracle-Projekt zur Erforschung von ME/CFS:
Um die Krankheit besser zu verstehen, haben das Universitätsklinikum Regensburg und das Universitätsklinikum Gießen und Marburg das Forschungsprojekt Miracle ins Leben gerufen. Dieses von der Bundesregierung mit 2,5 Millionen Euro geförderte Verbundprojekt läuft über drei Jahre und soll tiefere Einblicke in die Mechanismen von ME/CFS liefern.
Diese neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse könnten langfristig zu einer besseren Diagnose und innovativen Therapieansätzen führen – und damit Betroffenen Hoffnung auf eine verbesserte Lebensqualität geben.