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Überbeweglich wider Willen

Das Ehlers-Danlos-Syndrom

Hypermobilität ist nur eine Facette des Ehlers-Danlos-Syndroms (EDS). Bei dieser angeborenen, seltenen und vererbbaren Bindegewebserkrankung fehlt den betroffenen Menschen ein bestimmtes Eiweiß, ein Aufbaustoff-Klebestoff des Kollagens. Kollagen ist ein wesentlicher Bestandteil des Bindegewebes, es kommt in allen Bereichen des Körpers vor und hat eine stützende, stabilisierende Funktion. Wohl annähernd 8.000 Menschen könnten in Deutschland von der Krankheit betroffen sein.

Überforderte Gelenke und sehr verletzliche Haut

eine Hand, deren Daumen den Unterarm berührt.

Durch die starke Bindegewebsschwäche leiden EDS-Erkrankte häufig unter herausspringenden Gelenken. Mitunter kann auch die Körperspannung nicht lange gehalten werden, sodass die Betroffenen nicht lange stehen können und zusammensacken. Diese mangelnde Spannung kann auch die inneren Organe betreffen und beispielsweise zu Aussackungen im Magen-Darm-Trakt führen. Stark betroffen vom EDS ist meist auch die Haut.

Je nach vorliegendem EDS-Typ können die auftretenden Störungen und Charakteristika jedoch sehr unterschiedlich sein. Sie können beispielsweise umfassen:

– stark überdehnbare, leicht verletzbare Haut, Blutergüsse sowie schlechte Wundheilung
– (ausgeprägt) überbewegliche Gelenke
– sehr schlaffe, dünne und durchscheinende Haut
– Luxationen/Subluxationen der kleinen und großen Gelenke (oft sind Hüfte und Schultern besonders stark betroffen)
– (Riss-)Anfälligkeit der inneren Organe und/oder Gefäße
– chronische starke Schmerzen

Ehlers-Danlos-Syndrom noch nicht heilbar

Heilbar ist das das Ehlers-Danlos-Syndrom nicht, die Symptome können teilweise „schubartig“ oder dauerhaft und somit chronisch sein. Auch entzündliche Varianten sind möglich. Die Krankheit ist zudem alters- und geschlechtsunabhängig.  Mit geeigneter individueller (auf den einzelnen Patienten zugeschnittener) Physiotherapie können Betroffene versuchen, ihre Muskulatur zu kräftigen, um die Körperstabilität zu erhalten. Instabile Gelenke können unter Umständen mit Bandagen und Orthesen gestützt werden.

IM INTERVIEW: Barbara Kleffmann

(Vorsitzende des Bundesverbands der Ehlers-Danlos-Selbsthilfe e.V.)

Logo des Bundesverbandes Das Ehlers-Danlos-Syndrom wurde zwar im Jahr 1890 entdeckt, bis heute forschen jedoch Mediziner und Wissenschaftler nach den Ursachen und Therapiemöglichkeiten. Können Sie uns von Neuigkeiten in diesem Bereich berichten?

Forschungsergebnisse dürfen wir zwar in der Kategorie „Humangenetik“ verzeichnen – das war es im Groben aber auch. Was jedoch eine (allgemeine) Therapie betrifft, so sind uns andere Länder weit voraus. Denn das Ehlers-Danlos-Syndrom ist den hiesigen Medizinern – egal welcher Fachrichtung (außer der Genetik) – kaum bis gar nicht gegenwärtig. Die USA sind auf diesem Gebiet schon deutlich weiter, aber leider findet kein Austausch zwischen den Medizinern statt.

Neben den speziellen Einschränkungen je nach Form des EDS müssen so gut wie alle Betroffenen mit chronischen starken Schmerzen zurechtkommen. Wird das EDS denn als Behinderung anerkannt, so dass die Betroffenen Nachteilsausgleiche geltend machen können?

Die Krux beim EDS ist tatsächlich die, dass es eine (eigentlich) bekannte, nicht heilbare Erkrankung aus dem Bereich der Kollagenosen ist, aber tatsächlich in all seinen Ausprägungen im Sinne des Schwerbehindertengesetzes kaum bis gar keine Beachtung findet. In einer großen Zahl werden die Patienten als psychosomal fehlgesteuerte, eingebildete Kranke eingestuft. Natürlich meist mit fatalen Folgen auch im privaten und beruflichen Umfeld. Einen Nachteilsausgleich zu bekommen, ist stets ein Kampf. Dies kostet Kraft und Zeit, welche die meisten oft nicht haben. Von den finanziellen Einbußen und den teilweisen Ausgrenzungen innerhalb der Gesellschaft ganz zu schweigen.

Was können Sie im Allgemeinen Betroffenen und Angehörigen mit auf den Weg geben, um gut mit der Krankheit leben zu können?

Ich rate grundsätzlich: „Setzt euch mit der Erkrankung auseinander. Sie gehört zu eurem Leben dazu wie euer Schatten. Niemand, wirklich niemand ist ‚schuld‘ an dieser, eurer Erkrankung, es ist eine, sorry, dämliche Laune der Natur. Und wenn ihr es allein nicht schafft, das zu akzeptieren und anzunehmen, so scheut euch nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.“

Das ist keine Schande, denn auch wir als Verein können nicht alles auffangen. Den Eltern rate ich gerne, ihr Kind so normal wie nur irgendwie möglich zu behandeln. Nicht als armes, krankes „Hascherl“, dem alles abgenommen wird. Selbstverständlich kann ich das nicht jedem Hilfesuchenden so direkt sagen. Außerdem lohnt es sich, für sein Ich zu kämpfen! Das Leben ist schön, bunt, laut, nicht immer ein Wunschkonzert. Und doch lebens- und liebenswert, trotz oder gerade wegen des EDS.

Weitere Informationen zum Thema gibt es beim Bundesverband der Ehlers-Danlos-Selbsthilfe e.V.: www.bundesverband-eds.de

 

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