Im Leben vor der Amputation des Unterschenkels bei meinem Mann gab es um uns herum auch Leute im Rollstuhl, mit Gehilfen oder auch mit Prothesen. Die gehörten zum Stadtbild, und in unserer Kleinstadt kannte man sie häufig oder wusste sogar, wieso sie die Behinderung haben. Im Schwimmbad sah ich häufig einen Herrn in unserem Alter, der eine krass bunte Beinprothese trug, das sah cool aus, und ich weiß noch, dass ich mich beim ersten Anblick fragte, wie man damit wohl schwimmen kann.
Lesetipp: Sie fragen sich, wie moderne Beinprothesen eigentlich funktionieren? In unserem Beitrag „Wie ist eine Beinprothese aufgebaut?“ erhalten Sie spannende Einblicke in die Komponenten und Technik.
Mal einem Rollstuhlfahrer die Tür öffnen oder etwas aufheben, wenn was runterfiel, das war normal, man ist hilfsbereit. Bloß die Leute nicht so anstarren, hatte ich als Kind schon gesagt bekommen. Den Amputierten jedoch, der sein „Bein“ immer auf dem Schoß spazieren fuhr, sah ich unverständlich an, vielleicht passt die Prothese nicht? Große Gedanken machte ich mir nicht, wieso auch, die Menschen kommen ja gut klar, dachte ich.
Nicht selbst betroffen, aber irgendwie doch
Seit der Amputation erlebe ich es nicht als Betroffene selbst, aber aus einer ganz anderen Perspektive.
Als ich, bevor die Prothesenversorgung möglich war, meinen Mann mit dem Rollstuhl durch die Stadt fuhr, war ich entsetzt darüber, wie umständlich es Menschen im Rollstuhl gemacht wird, eine Straße zu überqueren. Selbst die 3 cm Bordsteinhöhe waren teilweise schwierig zu meistern, weil man mit etwas zu viel Schwung schnell mal auf die Straße rollt. Wie hucklig und schräg manche Gehwege sind oder auch wie schmal, weil z. B. halb von Unkraut eingenommen, war erschreckend.
Für meinen Mann war das Schwierigste im Rollstuhl, immer nur noch auf „Bauchnabelhöhe“ mit dem Gegenüber zu sein, ist er doch gern auf Augenhöhe.
Die Blicke der Menschen waren unterschiedlich. Manche schauten „heimlich“, sozusagen erst „hinter dem Rücken“, andere wechselten schnell die Straßenseite und grüßten dann kurz von gegenüber.
Blicke aller Art
Heute, mit Prothese und in langer Hose, sieht man es nicht, denn mein Mann strengt sich sehr an. Ich bin sehr stolz auf ihn. In kurzer Hose im Sommer geht er inzwischen offen damit um, extra auch ohne Kosmetik, damit man die ausgefeilte Technik sieht. Ich merke dann manchmal, wie Menschen regelrecht beruhigt darüber sind, dass er ja eine so großartige Prothese hat und ganz „normal“ damit laufen kann. Natürlich soll es auch so wirken, denn wen interessiert schon, wie schwer so eine Prothese ist, an welchen Stellen man Blasen bekommen kann und wie viele Schmerzmittel täglich nötig sind, um so „normal“ unterwegs sein zu können.
Wenn wir Rad fahren, fährt er immer voraus und ich hinter ihm. Häufig fällt mir auf, dass Leute, wenn sie seine Prothese staunend wahrgenommen haben, mir dann auf die Beine schauen, ob ich auch eine Prothese habe. Dann muss ich schmunzeln.
Kopfsteinpflaster, Treppen mit unterschiedlichen Stufenhöhen oder ohne Geländer, ich sehe das alles schon von Weitemund suche nach Aus- oder Umwegen, damit es nicht so schwer wird.
Sehe ich heute Menschen mit Prothese, kann ich auf sie zugehen und ihnen ein Kompliment darüber machen, wie gut sie laufen. Die Belohnung ist ein erstauntes, dankbares Lächeln.
Zum Weiterlesen: Wie auch im fortgeschrittenen Alter eine bessere Mobilität mit Prothese im Alltag gelingen kann, erfahren Sie im Beitrag „Wie sich das Leben mit einer Beinprothese im Alter verändert“.

