Ähnlich wie ein E-Bike, das die Fortbewegung auf zwei Rädern durch einen Motor erleichtert, bietet die robotische Hose eine innovative Unterstützung für die Beine. Davon profitieren insbesondere Senioren und Menschen mit Herz- oder Lungenerkrankungen. Diese Innovation kann den Energieaufwand beim Gehen um bis zu 18 % reduzieren. „Das ist das gleiche Konzept wie das Elektrorad, nur für das Laufen“, erklärt Professor Lorenzo Masia.
Ein Team von Forschenden der Technischen Universität München (TUM) hat die robotische Hose entwickelt, um Menschen mit weniger Kraftaufwand zu mobilisieren. Ziel ist es, Mobilität und Gesundheit besonders bei älteren oder gesundheitlich eingeschränkten Personen zu fördern. „Damit kann man langsam gehen, aber auch joggen. Wir haben ein System entwickelt, mit dem sich Menschen gerne und leichter bewegen“, so Masia weiter.
Energie sparen mit intelligenter Technologie
Nach Analysen der Forschenden spart ein junger Mensch, der auf einem 500 Meter langen Weg einen Berg hochgeht, unterstützt durch die robotische Hose, durchschnittlich knapp 18 % der Energie ein. Ältere Personen profitieren auf flachen Strecken von einer Einsparung von über 10 %, was einer Entlastung durch sechs bis zehn Kilogramm weniger Körpergewicht entspricht.
„Das System erkennt, wie schnell oder langsam sich die Person bewegt, passt sich an das jeweilige Gewicht der Beine an und unterstützt entsprechend individuell“, erläutert Doktorandin Enrica Tricomi. Die innovative Konstruktion namens WalkON, was so viel bedeutet wie „Lauf einfach weiter“, hilft, die Beinmuskulatur gezielt zu unterstützen und den körperlichen Aufwand zu verringern.
Das System arbeitet mit zwei dünnen Drähten, die vom Oberschenkel bis zum Hüftgurt verlaufen. Diese ziehen beim Übergang vom Stehen zum Gehen nach oben und entlasten so die Muskeln des Oberschenkelbeugers. Sensoren erfassen Bewegungswinkel und -geschwindigkeit und aktivieren die Motoren im passenden Moment. Die „Smart Robotic Shorts“ erfordern keinerlei Voreinstellungen, sind innerhalb weniger Minuten angezogen und funktionieren quasi per „Plug & Play“.
Sicherheit und Gesundheit im Fokus
Eine Befragung von Testpersonen zeigt, dass die Hose ein hohes Gefühl von Sicherheit vermittelt. Auf einer Skala von 0 (keine Kontrolle) bis 7 (volle Kontrolle) lag die Bewertung im Durchschnitt bei über 6. „Gerade bei älteren Menschen ist es wichtig, dass sie sich sicher fühlen“, betont Prof. Masia.
Die Technologie ist besonders für Personen geeignet, die noch mobil sind, aber bereits erste Einschränkungen spüren und Unterstützung benötigen. Masia, der inzwischen als stellvertretender Direktor am Munich Institute of Robotics and Machine Intelligence (MIRMI) der TUM tätig ist, sieht auch Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Herz- oder Lungenschwächen als Zielgruppe: „Laufen hilft ihnen, den Stoffwechsel zu verbessern, was sich wiederum positiv auf ihre Erkrankung auswirken kann.“
Durch die robotische Hose bleiben Nutzende länger mobil und unabhängig. Dies kann eine positive Auswirkung auf die Lebensqualität haben.
Zukunftsvision: Flexible Exoskelette für den Alltag
Im Gegensatz zu traditionellen Exoskeletten, die oft aus harten Gestellen bestehen, ist die TUM-Entwicklung leicht und flexibel – ähnlich wie normale Kleidung. „WalkON sieht mehr nach Kleidung aus und ist insgesamt nicht größer als ein kleiner Rucksack“, sagt Doktorandin Tricomi, die das System in den letzten Jahren maßgeblich weiterentwickelt hat.
Die Vision der Forschenden geht jedoch weiter: In der Zukunft soll ein modulares System entstehen, das Nutzende individuell anpassen können. „In ein paar Jahren kauft man sich eine kurze Hose, befestigt daran einen Motor, steckt zwei Kabel an, und fertig ist das System, mit dem man in die Berge gehen kann“, erklärt Masia.
Die robotische Hose der TUM steht für eine neue Generation tragbarer Technologien, die Bewegung einfacher, gesünder und unabhängiger macht – mit dem Potenzial, die Lebensqualität von Menschen weltweit nachhaltig zu verbessern.