Kleiner Tipp vorab: Nicht so viel zweifeln, einfach mal machen!
Nach einer Beinamputation wieder mit dem Rad loszufahren, kann eine ordentliche Portion Überwindung erfordern, aber der Erfolg kommt durch Übung. Und die Mühe lohnt sich, sich an Altes wieder neu heranzuwagen. Mit dem Erfolg fördert man sein Selbstbewusstsein, und allgemein gilt ja: Bewegung ist gut für die Gesundheit und am besten an der frischen Luft! Ob allein oder in der Gruppe ist Geschmackssache – tägliche Bewegung fördert das körperliche Wohlbefinden – denn wie heißt es doch: „Wer rastet, der rostet.“ Dabei ist die Intensität erst einmal zweitrangig, und einmal die Woche ist besser als keinmal. Fakt ist: Mit der heutigen Versorgung an Prothesen- und Fahrradtechnik kann man sicher und mit Spaß unterwegs sein.
(Anmerkung: In der Handbike-Variante ist Radfahren auch für Rollstuhlfahrende wieder möglich.)
Falls Sie eine neue sportliche Herausforderung mit Prothese suchen: Wie wäre es mit Stand Up Paddling?
Voraussetzungen für das Radfahren mit Prothese
Gut, die Motivation ist da, und nun soll es losgehen. Was sollte man beachten?
Die Prothese
– Priorität ist eine schmerzfreie Aktivität im Alltag.
– Der Schaft sollte wirklich gut sitzen, damit dieser nach dem Radfahren keine Druck- und/oder Scheuerstellen hinterlässt, und der Aufbau der Prothese, also Schaft, Gelenk und Fuß, sollte individuell auf Sie abgestimmt sein.
– Generell ist die Alltagsprothese ausreichend. Sollte Ihr Prothesengelenk einen sogenannten „Fahrrad-Modus“ haben, nutzen Sie ihn, denn somit müssen Sie nicht gegen einen Widerstand in die Pedale treten.
Das Fahrrad
Sie sind stolze:r Besitzer:in eines gewöhnlichen Fahrrads. (Gravel-Bikes und Rennräder sollten für den Einsatz erst einmal hintangestellt werden.)
Von Vorteil wäre ein tiefer Einstieg für den unproblematischen Aufstieg. (Entweder man hebt die Prothese an und setzt sie seitlich „durch“ den Rahmen auf die andere Seite oder man schwingt die Prothese gestreckt hinter sich über den Hinterreifen, sodass bei beiden Varianten das Rad zwischen den Beinen steht.)
– Sattelhöhe erst einmal so einstellen, dass man mit leicht gebeugten Beinen und der ganzen Fußsohle Bodenkontakt hat.
Grundsätzlich empfehle ich, bei den ersten Versuchen eine:n Helfer:in zur Unterstützung an die Seite zu holen.
Versuch macht klug
Am Anfang ist das Gleichgewicht, das man gegebenenfalls suchen muss, bevor man es findet. Für die ersten Rollversuche empfiehlt es sich, wie schon oben erwähnt, eine helfende bzw. unterstützende Person dazuzuholen, wenn nötig.
Was gibt es da zu üben?
1. Das Auf- und Absteigen.
2. Position des Standbeins und Prothesenbeins. (Was ist besser für mich? Mit der Prothesenseite über den Rahmen und Prothese auf der Pedale positionieren? Oder auf der Prothese stehen und mit der vorhandenen Seite zuerst aufsteigen?)
3. Wie ist die optimale Stellung der Pedale? (Eine oben, die andere entsprechend unten? Oder beide in Waage?)
Bewegung macht die Meter
Fahrradfahren ermöglicht einem, weitere Strecken zurückzulegen. Wer Kräfte sparen oder es sich leichter machen möchte, fährt mit einem Pedelec/E-Bike, und wer unsicher ist, könnte anfangs auf ein Dreirad steigen. Könnte! Natürlich wirkt ein Dreirad für Erwachsene für einige etwas uncool, jedoch bietet es eine gute Alternative, um wieder in Bewegung zu kommen. Neben dem tiefen Einstieg, der das Auf- und Absteigen erleichtert, bietet es deutlich mehr Stabilität im Stand! Sprich, wenn man gleichgewichtstechnisch noch nicht so fit ist, fällt man beim Anhalten nicht um!
Weitere Faktoren und Sicherheitsaspekte
Radfahren soll Freude bereiten und kein leidiges Muss sein. Um Spaß zu haben, braucht es kein High-End-Rad, ein gewöhnliches und verkehrssicheres Fahrrad ist ausreichend. Manche:r Prothesentragende hat Probleme, die Rücktrittbremse zu bedienen. Bei Mehrgang-Rädern sind die Bremsen am Lenker und werden ausschließlich mit den Händen bedient – ein Problem weniger! Nicht weniger wichtig ist auch, dass man darauf achtet, dass der Prothesenfuß sicher auf der Pedale fixiert ist, sich jedoch beim Anhalten leicht wieder lösen lässt. Eine vorerst schlichte Lösung wäre ein Klettband auf der Pedale und das Gegenstück am Schuh. Bitte nicht den Fuß inklusive Pedale mit Klettband festwickeln! Selbstverständlich gibt es mehrere Lösungen, doch jede:r sollte ausprobieren, was für ihn:sie die beste ist. Denn was für den:die eine:n funktioniert, ist lange nicht das Mittel der Wahl für alle. Ich persönlich habe handelsübliche „Krallen“ als Pedalerie und Turnschuhe mit Grip.
Aufgeben ist keine Option
Etwas durchgezogen zu haben, ist am Ende immer ein tolles Gefühl, als aufgegeben zu haben und nicht zu wissen, wie nah man vielleicht schon am Ziel war. Steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein! Wer also vor der Amputation Fahrrad fahren konnte, hat danach immer noch alles, was er braucht, um weiterzumachen. Wem der Zugang zum Fahrradfahren verloren gegangen ist und sich komplett unsicher fühlt, steigt erst einmal auf ein Ergometer oder holt sich die nötige Unterstützung durch eine:n erfahrene:n Gehschultrainer:in/Therapierende:n! Eventuell bietet sich auch der Besuch einer Selbsthilfegruppe an, um gemeinsam zu lernen und wieder freudig durch die Gegend zu radeln!