Der Behindertenrechtsaktivist Raùl Krauthausen hat mal davor gewarnt, dass man Gefahr läuft, zum „Berufsbehinderten“ zu werden, wenn man sich in seinem Job zu sehr mit der eigenen Einschränkung auseinandersetzt. Aber er hat es trotzdem getan. Und klärt nun selbst in diversen Medien über Barrierefreiheit, Inklusion und einen angemessenen Umgang mit Behinderten auf – auch an seinem eigenen Beispiel.
Ein Forschungspraktikum als Prothesenträgerin
Ähnliche Gedanken habe ich, als ich mich – selbst Handprothesenträgerin – Mitte des Jahres 2024 zu einem Forschungspraktikum beim Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen entscheide. Hier wird die kognitive Komponente von Prothesen, wie ich sie trage, untersucht und verbessert. Damit sie irgendwann intuitiver und besser anzusteuern sind und einen größeren Nutzen für ihre Anwendenden haben.
Austausch und Kennenlernen auf der OTWorld-Messe
Den Leiter der Forschungsgruppe hatte ich auf der OTWorld in Leipzig kennengelernt, einer Messe für Prothetik und andere orthopädische Hilfsmittel. Dort hatte ich meine Handprothese als Demoanwenderin präsentiert und war darüber in den Austausch getreten. Die Messe wird von vielen Prothesentragenden besucht, aber eben auch von Ärzten:innen, Technikern:innen und – wie in diesem Fall – von Wissenschaftlern:innen.
Neue Perspektiven und ein wegweisender Vorschlag
Ich selbst studiere Neurowissenschaften und klinische Psychologie im Master und kann mir mittlerweile gut vorstellen, mein Wissen in Zukunft in der Prothetik einzusetzen. Ihr merkt schon – mir scheint das Praktikum gut gefallen zu haben. Im durchaus fachlichen Gespräch auf der Messe fiel der Vorschlag, mir doch die Entwicklung vor Ort anzuschauen und im Rahmen eines Praktikums den Bereich besser kennenzulernen.
Meine Aufgaben im Fraunhofer Institut
Gesagt – getan. Über einen Zeitraum von vier Wochen arbeitete ich mal im Homeoffice, mal vor Ort im Fraunhofer-Institut, begleitete Experimente, recherchierte Daten und lernte unglaublich viel über mich, über Prothesen und über das Potenzial dieser Branche: Wie können Prothesen intuitiver angesteuert werden? Wie kann man ihr Gewicht reduzieren und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit erhalten? Und was sind zurzeit noch Limits, die wir nicht umgehen können? Zum Abschluss durfte ich einen Vortrag vor einem Fachpublikum über verschiedene Aspekte von Prothesen halten, mit denen ich mich zuvor in meinem Praktikum auseinandergesetzt hatte.
Der Alltag mit Prothese
Hierzu noch ein kleiner Schwank aus dem Alltag mit Prothese: Bei dem Vortrag war ich so aufgeregt, dass meine Hände leicht zu zittern anfingen. Meine myoelektrische Prothese empfängt die Muskelsignale im Unterarm und wertet diese aus. Da das Zittern nicht als eindeutiger Impuls zugeordnet werden konnte, flippte die Prothese regelrecht aus: Die Finger bewegten sich unkontrolliert in alle Richtungen, bis ich sie letztlich ausschalten musste. Denn das passiert eben auch mit Handprothesen – und wieder einmal realisierte ich, dass es Vorteile haben kann, wenn Menschen, die in diesem Bereich etwas verändern können, so was mitbekommen. Und wer weiß? Vielleicht werde ich doch irgendwann zur „Berufsbehinderten“.