Wer denkt, dass eine Beinprothese automatisch zu einem Pflegegrad führt, liegt falsch. Denn der Grad der Unterstützung, der einem Menschen zusteht, hängt nicht nur von einer Prothese ab, sondern von der gesamten Lebenssituation. Klingt kompliziert? Keine Sorge, wir bringen Licht ins Dunkel.
Der Blick aufs Ganze zählt
Ein Pflegegrad wird in Deutschland auf Grundlage einer individuellen Begutachtung festgelegt. Hier kommt der Medizinische Dienst (oder bei Privatversicherten Medicproof) ins Spiel. Die Gutachtenden wollen verstehen und sehen, wie es einem im Alltag wirklich geht. Dabei wird nicht nur die Prothese an sich bewertet, sondern das gesamte Leben, das sich um sie herum entfaltet – und manchmal auch ein wenig verheddert. Basierend auf einem Katalog bestehend aus 64 Fragen werden diverse Aspekte der Selbstständigkeit und des Pflegebedarfs abgedeckt.
Was wird wirklich bewertet?
Bei der Einstufung in einen Pflegegrad zählen verschiedene Aspekte des Lebens mit einer Beinprothese. Hier die wichtigsten Kriterien, auf die sich die Begutachtung stützt:
1. Mobilität: Kann man gehen, stehen, Treppen steigen mit Prothese?
2. Selbstversorgung: Selbstständigkeit in Sachen Anziehen, Duschen, Zähneputzen, Essen?
3. Kognitive Fähigkeiten: Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, und Orientierung – auch das spielt eine Rolle.
4. Alltagsbewältigung: Haushalt, Einkaufen, soziale Kontakte – schafft man das alleine?
5. Pflegeaufwand: Neben der alltäglichen Unterstützung wird auch die Pflege der Prothese selbst bewertet, wobei das nur ein Puzzlestück im Gesamtbild ist. Zudem kommt noch die Berücksichtigung weiterer gesundheitlicher Einschränkungen oder Erkrankungen.
Punkte, Punkte, Punkte
Klingt alles recht theoretisch? Nun, am Ende des Begutachtungsprozesses steht ein Punktesystem, das Sie in einen von fünf Pflegegraden einordnet:
Pflegegrad 1: 12,5 bis unter 27 Punkte
Pflegegrad 2: 27 bis unter 47,5 Punkte
Pflegegrad 3: 47,5 bis unter 70 Punkte
Pflegegrad 4: 70 bis unter 90 Punkte
Pflegegrad 5: 90 bis 100 Punkte
Eine Beinprothese ist kein Garant für einen Pflegegrad
Trägt man eine Beinprothese, heißt das nicht automatisch, dass man überhaupt einen Pflegegrad bekommt. Entscheidend ist immer der individuelle Alltag und wie viel Unterstützung wirklich nötig ist. Klar, die Pflege der Prothese und des Stumpfs kann berücksichtigt werden, aber das allein ist nur ein Aspekt von vielen.
Ein Beispiel für verschiedene Bewertungen
Zwei Menschen mit Beinprothese:
– Fall 1: Eine Person, die mit ihrer Prothese relativ gut zurechtkommt, vielleicht mal Hilfe beim Anziehen braucht, ansonsten aber ziemlich selbstständig ist, wird wahrscheinlich nur einen niedrigen oder gar keinen Pflegegrad erhalten.
– Fall 2: Eine Person im Alter von 93 Jahren mit Unterschenkelamputation und fortgeschrittenem Morbus Parkinson, die ohne massive Hilfe den Tag kaum bewältigen kann. Hier kann es gut sein, dass der Pflegegrad 4 angemessen ist.
Und wenn sich was ändert?
Das Leben ist voller Überraschungen – auch in Bezug auf den eigenen Gesundheitszustand. Sollte sich der Pflegebedarf verändern, kann man eine erneute Begutachtung beantragen. Und wer weiß, vielleicht wird der Pflegegrad dann angepasst. Am Ende entscheidet die Pflegekasse, basierend auf der Empfehlung des:der Gutachtenden. Aber keine Sorge: Die Begutachtung ist kein Test, den man bestehen muss, sondern eine Chance, die notwendige Unterstützung zu bekommen – individuell abgestimmt und fair.
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Hinweis: Dieser Artikel wurde mit größter Sorgfalt und auf Basis fundierter Recherchen erstellt. Dennoch übernehmen wir keine Gewähr für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Informationen. Rechtliche oder individuelle Fragen sollten stets mit den zuständigen Behörden oder Fachstellen geklärt werden.