StartLeben mit Multiple SkleroseAls Rollstuhlfahrer aufs Laufband – geht das?

Als Rollstuhlfahrer aufs Laufband – geht das?

Die letzten 20 Monate haben mir körperlich sehr zu schaffen gemacht. Neben meiner Multiplen Sklerose, mit der ich seit 21 Jahren lebe (seit sieben Jahren auch im Rollstuhl), wurde bei mir im Oktober 2019 noch ein aggressiver Brustkrebs diagnostiziert.

Sechs Monate neoadjuvante Chemotherapie, dann Operation, Bestrahlung und noch einmal 14 Zyklen Chemotherapie haben mich an den Rand meiner körperlichen Belastbarkeit gebracht. Deshalb wurde mir eine onkologische Reha-Maßnahme verordnet. Da viele Nebenwirkungen der onkologischen Therapie meine Beschwerden und Einschränkungen durch die MS verstärken, habe ich mich bemüht, eine Reha-Klinik mit onkologischem und neurologischem Fachbereich zu finden. Nach einigen Briefwechseln mit dem Kostenträger durfte ich dann meine Reha in der Sonnenberg-Klinik in Bad Sooden-Allendorf antreten. Neben vielen anderen Therapien habe ich dort die Möglichkeit gehabt, ein Laufbandtraining mit Gewichtsentlastung zu absolvieren.

Gut – ich komme noch ein paar wenige Schritte mit Gehstützen vorwärts, allerdings sieht das nicht wirklich geschmeidig aus, und die Fußstellung lässt auch zu wünschen übrig. Deshalb wurde ich von dem Chef der Physiotherapie, Herrn Schuchhardt, und meinem Physiotherapeuten, Herrn Röhl, ins Laufband „gehängt“. Es war zuerst ein komisches Gefühl, gesichert durch einen Klettergurt und mit Gewichtsentlastung die ersten Schritte auf dem Laufband zu machen. Dabei wurde vom Physiotherapeuten die Fußstellung korrigiert und durch Druckreize am Becken ein besseres Durchschwingen des Beines erreicht. Im Gespräch wurde mir auch erläutert, dass diese Art von Laufbandtraining bei vielen Gangproblemen orthopädischer, neurologischer und anderer medizinischer Natur sehr hilfreich sein kann. Sehr positiv ist ebenfalls, dass auch Rollstuhlfahrer und anderweitig Gehbehinderte das Laufband über eine Rampe „betreten“ können.

Ich persönlich habe festgestellt, wie mein persönlicher Leistungsgrad mit vielen kleinen Schritten gesteigert wurde. Dabei gab mir die dynamische Aufhängung ein Feedback zu meiner Belastungsgrenze, weil ich dann mehr in den Gurt gesunken bin.

Ich danke den Physiotherapeuten für dieses Training und hoffe, es auch außerhalb einer Reha-Maßnahme fortführen zu können.

Interview mit Herrn Schuchhardt, Leiter der Physiotherapie der Sonnenberg-Klinik Bad Sooden-Allendorf

„Herr Schuchhardt, ich habe jetzt selbst dieses Laufbandtraining mit Gewichtsentlastung bei Ihnen absolvieren können. Es hat sich nach anfänglicher Skepsis für mich sehr gut angefühlt und auch Erfolg gezeigt. Für welche Indikationen oder Funktionsstörungen setzen Sie dieses Laufband hier in der Klinik ein?

Das Laufband ist für mich ein optimales Hilfsmittel zur Unterstützung der Behandlungen bei Funktionsstörungen, bei denen das Gangbild in irgendeiner Form beeinträchtigt oder eingeschränkt ist.

Aber es ist nur eine Möglichkeit unter vielen! Es wird zur Leistungsdiagnostik, zur Verbesserung der physiologischen Bewegungsabläufe sowie zur Gangtherapie mit und ohne Gewichtsentlastung genutzt. Natürlich müssen gewisse Vorbereitungen getroffen werden, um das Gehen überhaupt zu ermöglichen. So müssen zum Beispiel Bewegungseinschränkungen des Sprunggelenkes mobilisiert werden, um das Fußanheben auszuführen. Der Rumpf muss stabilisiert werden, um Voraussetzungen für den Extremitäteneinsatz zu realisieren usw.

Für wen würden Sie dieses Laufbandtraining, unabhängig von den Indikationen, die hier in der Sonnenberg-Klinik behandelt werden, empfehlen?

Für Rehabilitand*innen, die gangunsicher sind und für jene, die sich im Gehbarren nicht oder sehr schwer selbst abstützen können. Das Gurtsystem gibt Sicherheit, so kann die Sturzgefahr deutlich gemindert werden. Wir können zusätzlich noch das Bergauf- und Bergab-, aber auch das Seitwärts- und Rückwärtsgehen trainieren.

Auf dem Laufband kann der Patient, mit Unterstützung der zuvor angelegten Weste und des einstellbaren Gewichtsentlastungssystems, aus dem Rollstuhl aufstehen und sich an den individuell eingestellten Handläufen festhalten.

Was ist gerade für rollstuhlpflichtige Patienten der Vorteil des Laufbandtrainings?

Für rollstuhlpflichtige Rehabilitand*innen bietet es die Möglichkeit, aus der ständigen Beugehaltung des Sitzes herauszukommen. Auch vermittelt das Gurtsystem Sicherheit beim Transfer. Zusätzlich ist es ein gutes Training für das Herz-Kreislauf-System.

An dem bei Ihnen verwendeten Laufband kann der Therapeut sich zu Füßen des Patienten setzen, um die Fuß- und Beinstellung des Patienten zu korrigieren. Worauf ist dabei besonders zu achten?

So können die Therapeut*innen die Gangzyklen nicht nur vom Becken her steuern, sondern Knie- und Fußbewegungen unterstützen bzw. anbahnen. Mit einiger Übung bekommen die Therapeut*innen das auch für sich selber rücken- und knieschonend hin (Ergonomie am Arbeitsplatz ist wichtig!).

Die dynamische Aufhängung mit Gewichtsentlastung erlaubt viele Einstellungsmöglichkeiten. Inwieweit hat die Gewichtsentlastung Einfluss auf das Gangbild und ggf. vorhandene Spasmen?

Durch das System können die pathologischen Muster reduziert bzw. in den unterschiedlichen Gangphasen leichter  korrigiert werden.

Ich bin nicht wirklich ein Leichtgewicht. Inwieweit kann die Gewichtsentlastung auch speziell für schwerere Patienten eingestellt werden?

Gerade bei Gelenkverschleiß mit Schmerzen in den unteren Extremitäten kann über die Gewichtsentlastung des Systems das Gangbild deutlich verbessert und somit das Gehen erleichtert werden. Wir kennen das ja von Arthrose-Patienten beispielsweise mit Hüftschmerzen, die im Wasser auch deutliche Entlastung/Erleichterung verspüren! Unser Laufband ist für 200 kg und der Airwalk bis zu 250 kg ausgerichtet. Eine Entlastungskraft von bis zu 80 kg ist möglich, optional sogar bis zu 240 kg!

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